Keine Chance am Ende der Schlange

■ Streit um Wegfall der Dringlichkeit für alleinstehende Wohnungslose / Sozialarbeit wird zur Farce

West-Berlin. Alleinstehende Wohnungssuchende haben auch weiterhin keine Chance auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) mit Dringlichkeit. Eine entsprechende Regelung, die erst im Juni 1987 unter CDU-Bausenator Wittwer und CDU -Sozialsenator Fink in Kraft gesetzt worden war, wurde zum 1. April dieses Jahres von Bausenator Nagel (SPD) mit der Begründung aufgehoben, daß sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt dramatisch zugespitzt habe. Auf den Einwand der Spandauer Sozialstadträtin Mende (SPD), daß mit dieser Entscheidung alleinstehende Obdachlose noch weiter ausgegrenzt würden, reagierte der Sozialdemokrat, wie der taz jetzt bekannt wurde, mit blankem Zynismus: Er sehe im Wegfall der Dringlichkeit für alleinstehende Obdachlose keine entscheidende Schwächung ihrer Position als Wohnungssuchende auf dem Wohnungsmarkt. „Offen gesagt“ habe dieser Personenkreis auch mit Dringlichkeit im WBS keine Chancen im Wettbewerb mit anderen Wohnungssuchenden.

Eine Auffassung, die der Spandauer Sozialarbeiter Friedrich Mälzer so nicht teilen kann: Sind Obdachlose - fast immer arbeitslose Männer und ehemalige Strafgefangene - in einer der bezirklichen Einrichtungen untergebracht, konnten ihnen die Sozialarbeiter vor dem 1.4. immerhin zu einer Dringlichkeitsbescheinigung verhelfen, mit der sich der Betreffende bei einer der städtischen Wohnungsbaugesellschaften bewerben konnte. Jetzt aber, so Mälzer, „wird er von den Gesellschaften in die Bewerberliste erst gar nicht aufgenommen“. Trotz Engagements von begleitenden Sozialarbeitern bleibe damit jede Resozialisierung im Ansatz stecken.

Auch wenn ihm das gelang, gibt es nach Auskunft der Sozialsenatsverwaltung noch immer mehr Dringlichkeitsanträge als freie Wohnungen - doch die alleinstehenden Wohnungslosen stehen nun endgültig am Ende dieser Schlange. Hilfe soll jetzt der „Feuerwehrfonds“ schaffen, der einen Pool von 250 Wohnungen jährlich umfaßt und für Menschen „mit besonderen sozialen Problemen“ zur Verfügung stehen soll. Nachteil: Auf diesen Fonds haben die Bezirksämter keinerlei Zugriff. Mit dem Zauberwort „Kooperationsvertrag“ werden die Sozialämter deshalb von den Senatsverwaltungen auf ihre Eigenverantwortlichkeit verwiesen: Sie könnten ja, so Nagels Empfehlung, Sondervereinbarungen mit städtischen Wohnungsbaugesellschaften treffen, die gleichzeitig auch die finanziellen Risiken der Vermieter mitberücksichtigten.

maz