: Völlig daneben
■ betr.: "Vergossene Milch oder die gescheiterte Vereinigung" (Editorial von Klaus Hartung), taz vom 4.8.90
betr.: „Vergossene Milch oder die gescheiterte Vereinigung“ (Editorial von Klaus Hartung), taz vom 4.8.90
Zugegebenermaßen ist das Wortspiel-Joint-venture BRDDR ganz witzig, inhaltlich allerdings greift die Betrachtung der Vereinigung als Gemeinschaftsunternehmen völlig daneben. Wir befinden uns im vierten Abschnitt unter der vielversprechenden Dachzeile Editorial vom 4.8.90.
Glücklicherweise bemerkt auch der Leitartikler am Ende des Absatzes, daß sein „Vergleich hinkt“, weil die BRD eine „Gelddruckmaschine hat“. Da kommen wir der Sache doch schon ein wenig näher. Offensichtlich ist die BRD nicht der „Hauptkapitaleigner“ eines Gemeinschaftsunternehmens „Deutsche Einheit“, das pleite sein soll.
Das Monopol der Banknotenemission unterscheidet den Staat BRD recht deutlich von einem Unternehmen - und recht deutlich von der DDR. Gerade die Übernahme einer fremden Währung macht den deutschen Staat östlich der Elbe zur Noch -DDR (mal ganz abgesehen davon, daß er nie über eine Währung im Sinne entwickelter Geldwirtschaften verfügte). Ob nun die BRD als größte Exportnation mit einer der härtesten Währungen der Welt gleich pleite geht, weil sie sich eine industrialisierte Volkswirtschaft einverleibt und ihren Währungsraum ausgedehnt hat, werden wir sehen wahrscheinlich ist das nicht. Schließlich kann man auch den Begriff der Pleite schlecht auf Staaten beziehen, die eine international anerkannte Währung besitzen, sonst müßte in den USA längst ein Konkursverwalter an der Stelle des Finanzministers sitzen.
Um das Ganze zu verkürzen: Mit einer wirren Mischung betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Begriffe und Sachverhalte lassen sich der einheitliche Währungsraum BRDDR, die Finanzierungslücken im Haushalt der Noch-DDR und auch die Liquiditätsprobleme der DDR-Betriebe nicht erklären.
Komplett daneben ist die Feststellung, die als Unternehmen betrachtete BRDDR rase nun in eine Liquiditätsfalle. Wäre das schön gewesen: Den DDR-Betrieben fehlt die Liquidität, und die Vereinigung entpuppt sich als Falle - und für das journalistische Wortspiel hat die ökonomische Theorie den Begriff der „Liquiditätsfalle“ parat. Die Illiquidität ist aber hier erstmal eine betriebswirtschaftliche Kategorie. Die Betriebe sind nicht flüssig, und wenn sie keine Überbrückungskredite bekommen, weil den Banken alles zu unsicher ist und die Treuhand oder der Staat keine ausreichenden Bürgschaften übernehmen, werden sie insolvent. Dann müssen die Unternehmen Konkurs anmelden - sie rasen aber auf keinen Fall in die Liquiditätsfalle.
Diese Falle nämlich ist eine Schöpfung der postkeynesianischen Theorie und der Geldpolitik vorbehalten und mit Vorsicht zu genießen. Zur erklärung der Wirkungslosigkeit einer expansiven Geldpolitik in einer Depression wird behauptet, daß eine Ausweitung der Geldmenge keine Zinssenkungen bewirke und damit nicht beschäftigungswirksam sei. Die Wirtschaftspolitik wird damit auf fiskalische Aktivitäten verwiesen.
Den theoretischen Streit über die Liquiditätsfalle nachzuvollziehen, ist hier sicher nicht sinnvoll. Ein Unternehmen jedenfalls gerät niemals in eine Liquiditätsfalle. Sollte es sie geben, betrifft sie nur eine expansive Geldpolitik - und die wird zur Zeit von der Deutschen Bundesbank garantiert nicht erprobt.
Katrin Schröder, Berlin-West
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