: Bundeswehr inspizierte SU-Militärstandort
■ Moskau will auch andere Standorte überprüfen lassen Giftgasverdacht wurde von Bonn lanciert
Von Andreas Zumach
Hohenleipisch/Leipzig (taz) Zwölf Experten der Bundeswehr haben gestern auf Einladung der Regierung in Moskau den sowjetischen Militärstandort Hohenleipisch, achtzig Kilometer östlich von Leipzig, daraufhin untersucht, ob dort derzeit Chemiewaffen gelagert werden oder in der Vergangenheit gelagert wurden. Ein vorläufiges Untersuchungsergebnis sollte frühestens gestern abend nach Redaktionsschluß der taz in Leipzig bekanntgegeben werden.
Anläßlich der Begrüßung der Bundeswehrgruppe am Montag abend auf dem Flughafen Leipzig äußerten Vertreter der Regierungen von UdSSR und DDR sowie der Nationalen Volksarmee (NVA) übereinstimmend ihre „feste Überzeugung“, daß die Inspektoren in Hohenleipisch ebensowenig Anzeichen für eine C-Waffen-Lagerung finden werden wie bei ähnlichen, zwischen dem 18. und 20. Juli durchgeführten Untersuchungen von drei NVA-Standorten. Die UdSSR hatte die Lagerung von Giftgas außerhalb des eigenen Territoriums bisher immer entschieden dementiert. Die Regierungen in Moskau und Ost -Berlin hatten die Bundeswehrexperten zu den Inspektionen eingeladen, nachdem Anfang Juli in der taz und anderen BRD -Medien Berichte über sowjetisches Gifgas in der DDR erschienen waren. Hintergrund für die Berichte waren Behauptungen des Bundesnachrichtendienstes (BND), die seit spätestens Oktober letzten Jahres zunächst von der Bundesregierung als „gesicherte Erkenntnisse“ an Bundestagsabgeordnete und ausgewählte Medienvertreter lanciert wurden. Offiziell dementiert Bonn bis heute, die Quelle des Verdachts zu sein. So verwies auch der Sprecher des Bundeswehrteams in Hohenleipisch auf Fragen nach dem Grund für die Inspektion immer wieder nur auf „Spekulationen“ in BRD-Medien.
Er räumte dann allerdings ein, daß das Bonner Verteidigungsministerium Hohenleipisch aufgrund „eigener Verdachtsmomente“ und unter „Hinzuziehung der zuständigen Dienste“ ausgewählt hatte. Die UdSSR hatte Bonn die freie Auswahl eines ihrer Militärstandorte in der DDR angeboten. Erst 24 Stunden vor Beginn der Inspektion am Dienstag morgen teilte die Bonner Hardthöhe Moskau mit, wohin die Inspektoren reisen wollten. Dieses Verfahren entspricht den Regeln für Verdachtsinspektionen, wie sie bei den Genfer Verhandlungen über ein weltweites C-Waffen-Verbot bereits vereinbart wurden.
Vladimier Iossifow, vom Moskauer Außenministerium nach Hohenleipisch entsandter C-Waffen-Experte, erklärte gegenüber der taz, die Sowjetunion sei bereit, im Rahmen auf Gegenseitigkeit beruhender Vereinbarungen auch alle übrigen Militärstandorte in der DDR auf Giftgasverdacht untersuchen zu lassen.
Ein entsprechendes Angebot Moskaus bei den Verhandlungen über ein bilaterales C-Waffen-Abkommen mit den USA hatte die Bush-Administration im Herbst letzten Jahres abgelehnt. Der Grund: Washington und Bonn wollten unter allen Umständen vermeiden, daß sowjetische Inspektoren vor Abzug des US -Giftgases aus dem pfälzischen Clausen das dortige Depot besichtigen.
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