Eine Stimme wie Willy Brandt

■ Helios Mendiburu (54), gebürtiger Spanier und Bezirksbürgermeister der SPD in Friedrichshain, schwört auf den Altbundeskanzler

PORTRÄT

Friedrichshain. Der zartgliedrige Mann, korrekt in einen etwas zu großen Anzug gesteckt, würde sich nie bequem in einen der riesigen Sessel setzen, die er seinen Besuchern anbietet. Er sitzt regelrecht auf der Kante, in der Hand immer eine Zigarette, mit blitzenden, dunkelbraunen Augen und einer Stimme wie Willy Brandt: Helios Mendiburu (54), Bezirksbürgermeister der SPD in Friedrichshain, blickt zurück - bereitwillig wie uneitel, als versichere er sich in seinem lebendigen Erzählfluß des Gefühls, „jetzt sitzt mir keiner im Nacken“. Er hat eine Menge zu erzählen und nennt in einem Atemzug die Stationen Madrid, Marseille, Cottbus und Berlin: Die Politik hat sein Leben geprägt, die Eltern, beide Kommunisten, „haben mich früh politisiert“.

Insofern wundere es ihn nicht, daß er jetzt hier im Bezirksamt sitze, jetzt wo „man erst richtig politisch arbeiten kann“. Helios Mendiburu ist, wie viele seiner Bürgermeisterkollegen in Ost-Berlin, vielleicht neu im Amt. Seine Weltanschauung ist jedoch alles andere als frischgebacken. Das eigene Bedürfnis macht er zur Maxime seinerBezirkspolitik: Die „sozialen Arme der SPD“ und ein „moralisch einwandfreies Gewissen“.

Der gebürtige Spanier Mendiburu lebt seit 1946 in der DDR. Die Überzeugung des Vaters mit baskischer Herkunft zwang die Familie zu einer Odyssee durch das südliche Europa entlang der Frontlinien. 1944 wurde der Vater als Mitglied der Resistance in Frankreich von Deutschen erschossen.

Seine Mutter heiratete zwei Jahre später einen Spanienkämpfer aus dem thüringischen Vogtland, und Mendiburu ging mit seinen zwei Geschwistern ins kalte, graue Cottbus. „Ich habe mir gleich eine Lungenentzündung geholt, damals in jenem eiskalten Winter 1946, der mir wie eine Strafe vorkam“, aber „ich bin trotz allem ein Deutscher geworden“. Und das, obwohl ihm, der immer noch fließend spanisch spricht, das „Deutsch werden“ nicht gerade leicht gemacht worden sei.

Den Stiefvater haßte er - „der war so ein Landsknechttyp, der mir den Marxismus mit dem Schulterriemen beigebracht hat“. Schon aus Trotz war ihm „jene stramme Lehre“ ein Graus. Während der Schlosserlehre schadete ihm seine pubertäre Aufmüpfigkeit: Aus Zorn zerriß er 1953 in seinem Betrieb seinen Ausweis der DSF (Gesellschaft für Deutsch -Sowjetische Freundschaft). Mit Rücksicht auf den Stiefvater, der mittlerweile als Polizeichef in Cottbus amtierte, kam der 17jährige mit „einer Portion Maulschellen“ davon. 1956, während des Ungarn-Aufstandes, als er als Student zum Sitzstreik aufgerufen hatte, schlug das System in Gestalt der Justiz zu. über zwei Jahre saß er in einem Arbeitshaftlager.

Danach fing Mendiburu als Rohrlegerhelfer in einem Baubetrieb an. Da er unbedingt wieder studieren wollte, „hatte ich in meinem Betrieb mal die Ohren angelegt“. Mit Erfolg: Der Betrieb schickte ihn an die Universität, und er schloß 1966 sein Ingenieurstudium (Gasverteilung) ab. Bis zu seiner Amtseinführung arbeitete er als Kundendienstleiter des Köpenicker Wärmegerätewerks. „Was soll ich über die Jahre bis zum Sommer 1989 schon groß sagen. Natürlich war man in keiner Partei, die 'gesellschaftliche Arbeit‘ beschränkte sich auf ein Minimum und... na, ich verfolgte die Politik in der BRD. Vor allem Willy Brandt, klar, seine Ostpolitik, das war sehr wichtig für mich, dieser historische Kniefall. Bestimmt ein Grund, warum ich heute dieser Partei angehöre.“

Und dann der Sommer letzten Jahres: Der Gründungsaufruf der damaligen SDP sei das Fanal gewesen und so „integre Persönlichkeiten wie der Ibraim Böhme“, den sie jetzt so durch den Dreck zögen. Jetzt oder nie, habe er sich gesagt,

-obwohl die Kontaktaufnahme nicht so einfach gewesen sei. „Als Atheist hatte ich keine Fühler zu den kirchlichen Basisgruppen.“ Die Friedrichshainer SDP, die er mit aus der Taufe hob, sei schließlich fast ein „Bekanntenzirkel“ gewesen.

Jetzt sei sie durchaus „hoffähig“. Zusammen mit den Stadtrats-Kollegen von der CDU - die CDU besetzt in Friedrichshain den Posten des Stadtrats für Bau- und Wohnungswesen, Soziales und Umweltschutz - will Mendiburu vor allem eine „sozial gerechte Politik“ machen. Wieso dann gerade die CDU jene neuralgischen Bereich besetze? „Wir sind uns in den wesentlichen Punkten einig: Mietpreisbindung, Sanierung, soziales Netz.“

Als Problem sieht der Bürgermeister, der - wie er sich ausdrückt - ein „konservatives Rechtsempfinden“ pflegen will, die Hausbesetzungen in seinem Bezirk. Natürlich mache man sich im Bezirk Gedanken darüber, wie die 124 leerstehenden Häuser in Friedrichshain genutzt werden könnten, aber das „Modell Mainzer Straße“ sei wohl kaum nachahmenswert. „Es ist der falsche Weg, die Besetzung. Das sehe ich als Angriff auf das kommunale Eigentum.“ Jetzt gäbe es doch politisch Verantwortliche, die sich just darum zu kümmern hätten - und in seinem Gesicht zeichnet sich Verständnislosigkeit ab. Gegen eine Instandsetzung unter vertraglichen Voraussetzung habe er ja nichts einzuwenden, „aber einfach besetzen, das ist Anarchie“. Und die ist Helios Mendiburu ein Graus.

nana