: Kampfsport und Demut für den Sektenführer
■ Die reaktionäre Mun-Sekte will Jugendliche aus der DDR anwerben / Sektenbeauftragter Thomas Gandow warnt vor Wonhwa-Do-Kursen in West-Berlin
INTERVIEW
Einen „starken und mutigen Charakter“, „Disziplin und Selbstkontrolle“, eine „höfliche und demütige Haltung“ und die perfekte Selbstverteidigung - mit diesen Eigenschaften wird zur Zeit vor allem in Kleinmachnow und Teltow für den kampfsport „Wonhwa-Do“ geworben. Interessierten DDR-Bürgern wird der Weg zum „Trainingszentrum“ im Zehlendorfer Nieritzweg auf den Werbeplakaten genau skizziert. Der Hinweis auf die wahren Veranstalter fehlt allerdings: Organisator aller Wonhwa-Do-Kurse ist CARP, die Studentenfiliale der rechtsradikalen Mun-Sekte. Mit ersten Anwerbungsversuchen sahen sich DDR-Bürger schon kurz nach der Maueröffnung konfrontiert, als CARP-Mitglieder auf dem Pariser Platz unter dem Motto „Gottismus statt Marxismus“ die Ideologie ihres koreanischen Führers Sun Myung Moon predigten. Die StaatsbürgerInnen der ehemals sozialistischen Warschauer-Pakt-Staaten dienten nach der Weltsicht der Mun -Sekte jahrelang nur in der Rolle des Bösen, das letztlich in einem dritten Weltkrieg vom Guten in Gestalt der USA und der „freien“ Welt besiegt werden würde. Nachdem diese Rollenverteilung etwas ins Wanken geraten ist, zeigte sich nun auch die Mun-Sekte flexibel und geht nicht nur in der DDR auf Seelenfang. Die taz sprach mit dem Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche in Berlin -Brandenburg, Pfarrer Thomas Gandow.
taz: Was verbirgt sich hinter Wonhwa-Do?
Thomas Gandow: Wonhwa-Do bedeutet „Weg der Harmonie“ und ist im Prinzip eine um die göttlichen Prinzipien Muns bereicherte Version des Taekwondo. Man kann also Wonwha-Do letztlich nicht ausüben, ohne in die Ideologie Muns eingeführt zu werden. Den Kursteilnehmern wird das natürlich so nicht gesagt. Die wissen zum Beispiel auch nicht, daß die Leiter dieser Kurse identisch sind mit Angehörigen der CARP. CARP ist auch zuständig für die Leitung und Organisation des Wonhwa-Do. Überall, wo es CARP gibt, gibt es auch Wonhwa -Do.
Auf welche Weise werden KursteilnehmerInnen über das Kampftraining dann in die Sekte eingeführt?
Jede Übungsform hat eine der Mun-Ideologie entsprechende Bedeutung - und die muß mitgelernt werden. Und durch den intensiven persönlichen Kontakt, der bei einem solchen Training in sehr kleinen Gruppen erfolgt, wird natürlich auch eine ganz persönliche Werbung betrieben.
Was wissen Sie über die Resonanz auf das Angebot von Wonhwa -Do-Kursen?
Geworben wird damit schon seit Jahren unter den Berliner Studenten. In der letzten Zeit haben auch Kinder und Jugendliche aus Zehlendorf daran teilgenommen. Das wirkt ja auch attraktiv, weil die Kurse fast nichts kosten und auch kleinste Trainingsgruppen eingerichtet werden, wenn man zu den offiziellen Trainingsterminen nicht erscheinen kann. Was die DDR betrifft, so befürchte ich, daß die Resonanz erst einmal sehr groß sein dürfte. Asiatische Kampfsportarten waren in der DDR lange tabuisiert und sind schon deshalb für viele jetzt interessant. Zudem hat die Sache einen westlichen Touch. Von all dem profitiert die Mun-Sekte.
Wie sieht es im übrigen Osteuropa aus?
Mir sind mehrere Beispiele aus der UdSSR bekannt, wo ganze Karateklubs von der Mun-Bewegung übernommen und in ihren Wonhwa-Do-Weltverein überführt worden sind. Das ist ihnen insofern leichtgefallen, als die Mun-Sekte ausländische Trainer anbieten kann, die vermeintliche Meisterprüfungen abnehmen können. Außerdem arbeitet die Gruppe stark mit ihrem Angebot, den Kommunismus zu reformieren, wozu sie Fotos benutzen, auf denen Gorbatschow zusammen mit dem Sektenführer Mun zu sehen ist. Die Sekte hat es offensichtlich durch eine Spende an Raissa Gorbatschow für ein Waisenhaus geschafft, an solche Fotos zu kommen.
Mit welchen anderen Strategien hat die Mun-Sekte bislang in Ost-Berlin und der DDR geworben?
In der ganzen DDR hat es Tagungen und Konferenzen gegeben, man hat den Leuten Weltreisen angeboten. Man hat Leuten offeriert, beim „Religious Youth Service“, so einer Art Mun -Austausch- und Arbeitsprogramm in der Dritten Welt, teilzunehmen. Wonhwa-Do-Kurse werden in der DDR selbst noch nicht durchgeführt, im Moment arbeitet die Sekte von den Stützpunkten aus, die sie schon hat.
Gespräch: Andrea Böhm
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