Parteiengezänk um das Berliner Wahlrecht

■ Im Einheitsausschuß stritten die Parteien gestern um die Listenverbindungen und heute im Parlament

Berlin. Das Schmierentheater der großen Parteien um das Wahlrecht nimmt auch in Berlin kein Ende: In der gemeinsamen Sitzung der Parlamentsausschüsse zur Vorbereitung der Einheit Berlins aus beiden Teilen der Stadt flammte gestern erneut der Streit um die Wahlmodalitäten auf. Der Ausschuß hatte in den vergangegen Wochen die neue Gesamtberliner Verfassung erarbeitet und sich auf eine einheitliche 5% -Klausel und die einmalige Zulassung von Listenverbindungen geeinigt.

Zumindest in der Frage der Listenverbindungen war gestern plötzlich wieder alles offen: Der CDU-Vorsitzende Eberhard Diepgen hatte in der gestrigen Ausgabe der 'Berliner Morgenpost‘ eine Listenverbindung der CDU mit den Liberalen für möglich erklärt und damit prompt den Zorn der Sozialdemokraten erregt. Die SPD wollte auf diese Äußerung hin einen Passus in das Wahlgesetz aufnehmen, wonach nur solche Parteien Listenverbindungen eingehen dürften, die zum Zeitpunkt der letzten Abgeordnetenhauswahlen noch nicht existiert hätten. Als die CDU erklärte, einem solchen Passus keinesfalls zuzustimmen, platzte dem SDP-Fraktionschef Ditmar Staffelt der Kragen: Er warf der CDU vor, die geplante Regelung politisch-moralisch zu mißbrauchen und Manipulationen vorzunehmen. „Die SPD wird es sich noch einmal überlegen, ob sie unterdiesen Bedingungen überhaupt einer Listenverbindung zustimmen wird“, erklärte Staffelt. Jetzt schnappte der Koalitionspartner zurück. Die AL -Fraktionsvorsitzende Renate Künast drohte für den Fall, daß die großen Parteien einen Rückzieher machen würden, mit einer Verfassungsklage. Einigung konnte nicht erzielt werden, bis zur heute stattfindenden Plenarsitzung soll jedoch versucht werden, intern eine Lösung zu finden.

Bei einem weiteren Punkt der Tagesordnung konnten sich Ost und West nicht einigen: Die West-Berliner Abgeordneten plädieren dafür, die Wahlen zu den Bezirksparlamenten von den Abgeordnetenhauswahlen abzukoppeln, und schlagen als Termin für die nächsten Bezirkswahlen den 30. Juni 1992 vor. Dem widersprachen die Vertreterinnen des Neuen Forums. Klar ist nur, daß beide Wahltermine entkoppelt werden und am 2. Dezember nur das Landesparlament gewählt wird. In der Frage der politischen Bezirksämter wurde zwischen SPD und CDU ein Kompromiß erzielt. Auch künftig sollen die sieben Bezirksstadträte nach der Stärke der Fraktionen bestimmt werden, der Bezirksbürgermeister soll aber auf den Vorschlag mehrerer Fraktionen gewählt werden. Die Änderungen zur Verfassung und zum Wahlgesetz sollen in Sitzungen heute und in einer Woche im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden. Die Stadtverordnetenversammlung wird sich nächste Woche mit den Änderungen befassen.

kd