Notbremse gegen Skinheads

■ Ausländischer Student von Skins niedergestochen / Der zweite Überfall dieser Art in diesen Tagen / Ostberliner Ausländerbeauftragte Kahane appellierte an die Zivilcourage der BerlinerInnen

Ost-Berlin. Mit Schlägen und einem Messerstich in die Brust wurde am Dienstag abend ein Student aus Madagaskar von Skinheads in Ost-Berlin schwer verletzt. Der 27jährige Doktorand war nach eigenen Angaben gegen 18.30 Uhr am Ostkreuz in die S-Bahn eingestiegen. Außer ihm hätten sich noch zwei weitere Fahrgäste in dem Waggon befunden. Kurz vor Abfahrt seien etwa fünf Jugendliche, allesamt mit kurzgeschorenen Haaren, in das Abteil gesprungen, hätten ihn umringt, beleidigt und geschlagen. Als S. aufstand und sich an die Tür stellte, stach einer der Jugendlichen mit dem Messer zu und traf ihn in die Brust.

S. konnte noch die Notbremse ziehen, der Zug kam jedoch erst am S-Bahnhof Frankfurter Allee zum Stehen. Während sich einer der Fahrgäste um den Verletzten kümmerte, rannten die Skinheads davon. Die Volkspolizei, die wenige Minuten später eintraf, konnte drei Tatverdächtige festnehmen, die nach ihren Angaben jedoch wieder entlassen wurden, da eine Tatbeteiligung nicht nachweisbar gewesen sei.

Bereits am Montag abend war ein Mocambiquaner durch einen Messerstich lebensgefährlich verletzt worden, als er in einer Discothek in eine Schlägerei geriet. Der Mann erhielt einen Stich in die Leber und befindet sich zur Zeit noch auf der Intensivstation eines Ostberliner Krankenhauses.

Jüngste Umfrageergebnisse, wonach sich eine weit verbreitete ausländerfeindliche Gesinnung in Ost-Berlin nicht bestätigen lasse, nahm man gestern im Büro der Ostberliner Ausländerbeauftragten nur noch mit gequältem Lächeln zur Kenntnis. Von Erleichterung oder gar Entwarnung war jedenfalls nichts zu spüren. Besorgt und empört zeigte sich Kahane über die „wachsende Ausländerfeindlichkeit in unserer Stadt“, die sich auch in der zunehmenden Zahl von Übergriffen auf ausländische BürgerInnen äußerten.

Die Ostberliner Ausländerbeauftragte richtete einen dringenden Appell an die Zivilcourage der BerlinerInnen. Jeder müsse mithelfen, solche Straftaten zu verhindern. An die Volkspolizei richtete Frau Kahane die Bitte, die Aktivitäten rechtsradikaler und rassistischer Gruppen zu unterbinden.

„Auch ausländische BürgerInnen haben ein Recht darauf, geschützt zu werden.“ Um sich selbst zu schützen, verzichten die nicht-deutschen StudentInnen aus dem Wohnheim des Überfallopfers vorerst auf einen scheinbar selbstverständlichen Teil ihrer Bewegungsfreiheit: sie gehen nach 20 Uhr nicht mehr auf die Straße.

Andrea Böhm

Augenzeugen- oder Betroffenenberichte über rassistische Übergriffe nimmt nicht nur die Volkspolizei, sondern auch die Ausländerbeauftragte beim Magistrat unter der Telefon -Nummer 242 52 39 entgegen.