Die Einfalt der Nation

■ „Heilige Kuh“, Di., 14.8., West 4, 22.30 Uhr

Gleich im Anschluß an die Sendung Monitor in der ARD und dem anschließenden Monitor im Kreuzfeuer gibt es alle fünf Wochen für die Zuschauer in NRW auf West 3 seit etwas mehr als einem Jahr die Sendereihe Die Heilige Kuh. Entstanden ist sie im Dunstkreis von Gerd Berger, dem Erfinder des vielgerühmten Magazins ZAK, als Berger noch Leiter der Fersehredaktion „Aktuelles“ war. Aus dem Fundus der Mitarbeiter schöpft auch heute die Redaktion, um eine „Ein-Themen„-Sendung zu einem aktuellen Stichwort, einer echten Heiligen Kuh der Deutschen zu machen. Das Thema der Sendung wird als journalistisches Brainstorming aufgegriffen, die Annäherung an das Problem wird - so erscheint es zumindest dem Betrachter - weitestgehend der individuellen Phantasie der AutorInnen überlassen. Das Resultat ist eine Sendung erfrischend unausgewogen und gar nicht erst durch Moderationen in der Aussage abgestumpft, eine filmische Assoziationskette zum Thema, ein Experiment mit unterschiedlichsten journalistischen Darstellungsformen.

Am Dienstag abend ging es beispielsweise um das „neue deutsche Selbstgefühl“. Die Beiträge - ob es nun der verhinderte Country-Sänger Gunter Gabriel mit Lobeshymnen auf „Schwarz-Rot-Gold“ („Oh Deutschland, hinter mir stehen Millionen, wir lassen dich nicht im Stich!“) und einer Eindeutschung Woody Guthries „This land is your land...“ oder die Reportage aus der boomenden Bonner Flaggenfabrik war, Hörerbrief von Auslandsdeutschen und anderen HörerInnen der Deutschen Welle oder Eindrücke vom Treffen der Berufsvertriebenen in Bad Canstatt, in ihrer Vielfalt warfen sie ein deutliches, peinliches Licht auf die Heilige Kuh neuerwachten National„stolzes“, und sie entlarvten dabei die Einfalt der Nation, ohne daß es noch eines journalistischen Kommentars bedurft hätte. Ein seltenes Bild heutzutage im Fernsehen, daß die Beiträge für sich sprechen. Die sprunghaften Assoziationen, von der konventionellen Straßenumfrage (zumindest aber ungewohnterweise in schwarz -weiß und aus der ungewöhnlichen Perspektive von schräg unten aufgenommen) ein glatter Übergang zur Fahrradfabrik „Vaterland“ im Sauerland, wo mit holländischen Robotern und überwiegend türkischen Arbeitnehmern Fahrräder für den wachsenden Markt jenseits von Elbe und Oder produziert werden, diese Assoziationsketten sorgen keineswegs für Irritationen, sondern vielmehr für Spannung beim Zuschauer.

Insgesamt war die halbe Stunde Sendezeit vollgepackt mit 17 unterschiedlichen Beiträgen, die jede für sich einen eigenen Zugang zum Thema hatten. Ein Tummelplatz für formale wie inhaltliche Experimente. Es wäre zu wünschen, daß diese Sendereihe auch breiteren Kreisen von Zuschauern in beiden deutschen Republiken zugänglich gemacht würde.

-boff