Johannes Rau plant „praktische Reformen“

■ Kostenfrage blieb offen / Volksabstimmung verlangt

Düsseldorf (taz) - Die nordrhein-westfälische Landesregierung will bis zum Jahr 1995 100.000 zusätzliche Plätze in Kindergärten und -tagesstätten schaffen. Mit dem Programm, das Ministerpräsident Johannes Rau während seiner zweieinhalbstündigen Regierungserklärung am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag verkündete, soll die - im Vergleich zu anderen Bundesländern - extreme Unterversorgung behoben und eine bessere Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Interessen sichergestellt werden. Was das Programm kostet, ließ Rau offen. Sicher ist nur, daß durch eine Erhöhung der Elternbeiträge und durch zusätzliche Leistungen der Kommunen ein Teil des Programms finanziert werden soll. Unter dem Stichwort „solidarische Gesellschaft“ will die Rau-Regierung künftig auch für die Altenbetreuung, vor allem für die ambulante Versorgung, mehr Geld ausgeben.

In der Energiepolitik erneuerte Rau das Nein zur Kernenergie und zur Inbetriebnahme des Schnellen Brüters in Kalkar. Mit „praktischen Reformen“, durch Verteuerung des Energieverbrauchs und durch Förderung von regenerativen Energieträgern soll der Weg in eine andere Energiezukunft beschritten werden. In der Verkehrspolitik müsse eine Verlagerung des Fernlastverkehrs von der Straße auf die Schiene Vorrang haben, sagte Rau, ohne jedoch landespolitisch wirksame Konzepte zu präsentieren.

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik verlangt Nordrhein-Westfalen (NRW) eine Grundgesetzänderung, die auch den Umweltschutz als Staatsziel in die Verfassung aufnimmt. Über die neue Verfassung soll dann das gesamtdeutsche Volk per Volksentscheid abstimmen. Forderungen nach weiterem finanziellem Engagement der Länder bei der Unterstützung der DDR bezeichnete Rau als „befremdlich“. Bis 1994 werde NRW insgesamt ca. 30 Mrd. DM an Zins und Tilgung für den „Fonds Deutsche Einheit“ ausgeben.

Walter Jakobs