„...und um's Cafe alles wie zugefroren“

■ Das „Cafe Grün“ im Fedelhören wird zehn Jahre alt: eine Insel für Cafehaussitzer und andere Produzenten

Vor zehn Jahren, am 14. August 1980, als Hermann Stuzmann und Max Schmalz in dem leerstehenden Haus am Fedelhören einen weißen, kahlen Raum als Cafe Grün eröffneten, war das Quartier noch eine Art Ruinenfeld. Fedelhören war die letzte Straße, die die „Mozarttrasse“ in zwei Welten zerschnitt, ehe der Kahlschlag durchs Ostertor von rabiaten Bürgerprotesten am Rembertikreisel gestoppt wurde. In dem kaputten Quartier sollte, so Stuzmanns Idee, etwas wie „Galerie und Cafe“ entstehen. Weil man von der Galerie der Maler-Gruppe Grün, damals am Fedelhören des anderen Weltendes gelegen, weit und breit kein Cafe erreichen konnte. Der Maler Stuzmann und Jürgen Schweigel, Speditionskaufmann, alias Max Schmalz, „Dichter“ und damals mit einer Leidenschaft für DADAeske selbstverfertigte Cassetten-Poeme behaftet, setzten sich mit ihrem Kahlcafe mitten ins Kaputte. „Wir wollten einen Raum, in dem wir viel von uns selber wiederfinden können.„(Stuzmann)

Zehn Jahre später sitzen die beiden zu ihrem Erstaunen und auch Entzücken immer noch hier. Der Malvenstrauß vom Jubiläumstag verblüht prächtig, Stuzmanns Franzl hinkt mit verbundener Pfote zwischen den wie immer geräumig stehenden Tischen umher. Stuzmann hat das Haar rot gefärbt und redet, was für Max Schmalz beides nicht zutrifft. Zwei gelassene Menschen, die einem viel RAUM lassen, auch, wenn das Cafe nachher eröffnet sein wird. Seit Weiß chic ist, haben die Künstlercafetiers ihr Cafe schwarz oder orange gestrichen. Aber das Karg-Geräumige ist immer geblieben. „Es soll nicht so unangenehm sein. Wir wollen existieren, das ist richtig. Wir wollen aber nicht diesen klassischen, vollgestellten, unerträglichen Kneipencharakter. Diese Kohlegeschichte ist wichtig zum

Leben, aber nicht das Primäre. Wir werden hier nicht reich mit, aber wir werden auch nicht arbeitslos. Max und ich, wir sind einfach keine Geschäftsleute. Wir sind weder Arbeitgeber noch sonst etwas. Wir beuten uns lieber selbst aus,“ spricht Stuzmann. Max Schmalz lächelt glücklich dazu, nur für mich tut es ihm leid, daß sie so gar kein Unglück ist ihrer Cafe-Existenz entdecken können.

„In's Cafe“ oder einfach „in's Grün“ gehen ein Stammpublikum und Leute, die diesen spezifischen Raum suchen. „Zu manchen Zeiten haben wir das Gefühl hier, wir sitzen auf einer Insel, und rundherum ist alles zugefroren. Dann sitzen hier so ein paar Leute, es geht alles so ganzganz ruhig ab. Und es kommt nichts Neues hinzu. Alle kucken bei jedem Geräusch zur Tür. Was passiert? Ist ein Schiff gestrandet?“

Max Schmalz erinnert unterschwellig glucksend an die Zeit bis vor wenigen Jahren, als sie es im Winter ohne Heizung aber mit einem Gas- und einem Ölofen „auf die italienische Art“ jedenfalls bis auf 14 Grad gebracht haben. Es entspinnt sich eine Erörterung der italienischen Ofenrohrpraxis, quer durch den Raum, aber hier natürlich nicht statthaft. Genauso wie ein gleichgeschlechtliches Klo. Apropos : auf keinen Fall die zartgrüne schaumgeborene Sprühkaskade hinter dem Damenklo verpassen, ein truely rokokoeskes Environment.

Aus den Ruinen ist das „Grün“ nicht nur als quartierübergreifender Künstlertreff hervorgegangen, es hat eine Menge Anstöße gegeben. Die Wiege der einzigen Bremer Literatur- und Kunstzeitschrift „Stint“ steht hier, und wird allfreitäglich von den Herausgebern geschaukelt, deren Max Schmalz einer ist. Und die Bildenden von Bremen hatten hier seit jeher einen Ort zum Ausstel hierhin bitte

die zwei Männer

in der Bar

Hermann Stuzmann, ganz links,

len. Am Anfang wurde hier jede Woche eine Ausstellung eröffnet. und Max Schmalz, ganz rechts

Das Cafe, „der Bremer Scene eh immer um Lichtjahre voraus“ Foto: Jörg Oberheide

(Stuzmann), war es auch in Sachen Kneipengalerien. Als Stuz

mann aber in anderen Kneipen Kunst zur Applikation verkommen sah - seitdem wird im Grün ganz clean getrennt, Kunst ist Kunst und hängt auf der Galerie, und Kaffee ist Kaffee und kostet unten zwei Mark.

Auch nach Ausstellungseröffnungen geht man in's Grün. Allerdings, die von der Kunsthalle kommen nie, die von Galerie Michael vis a vis auch eher nicht, aber die von Seinsoth, der anderen Ausstellungsadresse für Bremer KünstlerInnen, wohl, die Leute von BBK und Gesellschaft für aktuelle Kunst auch.

Wie das kommt?

Stuzmann: „Es gibt einen Kulturgraben in Bremen. Es gibt eine Sorte von Galerien, die kreuzt hier garantiert nicht auf, und es gibt eine andere Sorte. Es gibt die Bremer Pfeffersäcke, und es gibt die Leute, die etwas mehr abenteuerlich drauf sind.“

Uta Stolle