: Wann kommt Uwe?
■ Comeback von Manfred Kaltz beim Hamburger SV
PRESS-SCHLAG
Der HSV hat unter allem gelitten, was es in der modernen Geschichte des managementmäßig betriebenen Fußballs zu erleiden gibt. Unter Auszehrung des Spielermaterials, unter einer miesen An- und Verkaufspolitik, unter ungnädigen Menschen, die seit geraumer Zeit wenig Lust verspüren, Spiele der früheren Spitzenelf im Volksparkstadion zu besuchen. Und wie fast immer hat der Verein sehr hanseatisch reagiert - kühl, gelassen, manchmal einfach auch gar nicht.
Neu ist, daß der Hamburger SV eine Bresche für die Alten schlägt. Letzter Beweis: Nach der 1:3-Saisonpremiere gegen den 1. FC Kaiserslautern verdichteten sich zu Wochenbeginn Gerüchte, nach denen Manfred Kaltz, 37 Jahre, also profikicktechnisch gesehen bereits im hohen Pensionsalter, wieder aus dem französischen Exil zum HSV zurückkehrt.
Nun scheint so gut wie sicher: HSV-Trainer Gerd-Volker Schock will den Bananenflankenprinzen in seine demoralisierte Elf holen. „Manni“, so verkündete Schock wie gewohnt leutselig, „hat in fast 19 Jahren HSV-Geschichte mitgeschrieben. Er hat schon aus moralischen Gründen das Recht, mitzutrainieren.“ Der Mann untertreibt: Niemand würde es wundern, wenn Pavarotti-Fan Kaltz schon zum nächsten Heimspiel gegen den VfL Bochum auf seiner früheren Position, dem offensiven Linksmittelfeldverteidiger, sein altes Trikot wieder überstreift. Kaltz, der Ende der vorletzten Saison wegen zu hoher Gehaltsforderungen für eine Ablösesumme von 500.000 Westmark nach Frankreich verschoben wurde, teilte mit: „Ich habe keine Probleme. Hier fühle mich wohl.“ Hier das ist Hamburg, die Stätte, wo er gute Manieren, Essen & Trinken und eine Portion gehobene Kultur schätzen lernte.
Rein zahlentechnisch betrachtet wäre dem HSV zur sportlichen Repatriierung nur zu gratulieren, denn der Mann kostet überhaupt nichts. Nur ein bißchen Gehalt, aber daran, so Kaltz, solle es „diesmal nicht scheitern“. Was die Spieler, die den Kaltz aus alten Tagen noch kennen, dazu sagen, wurde ausgesprochen, aber nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Ein junges Nachwuchstalent meinte nur: „Ich kenne ihn ja nicht, aber die anderen scheinen ja Mordsmuffe vor dem zu haben.“
Ja, was denn - ist Kaltz ein Zombie, eine Art Anthony Perkins mit Jacketkronen? Nein, ganz bestimmt nicht. War es nicht immer sein gutes Recht, junge Spieler über ihre Unzulänglichkeiten aufzuklären, sind nicht auch Fußballerlehrjahre keine Herren-, besser: Kaltzjahre? Kann Manni denn was dafür, wenn sich Neulinge früher beschwerten, er ließe ihnen keine Luft zum Atmen?
Außerdem wäre es nur eine faire Geste, dem bis Ende der vergangenen Saison mit 568 Bundesligaeinsätzen erfahrensten Ligakicker eine neue Chance zu geben. Jüngst nämlich übertraf Frankfurts Charly Körbel diese Marke - und bilanziert zwei Bundesligaspiele mehr. Braucht also nur dreimal auszusetzen, dann wäre Kaltz wieder der Liga-King. Auch in internationaler Hinsicht liegen für den Mann, der bei Girondins Bordeaux ein Ersatzbänklerdasein fristete und dafür 550.000 Westmark Jahresgage überwiesen bekam, noch Perspektiven drin. 69 Einsätze... Nein, das ginge zu weit. Und außerdem ist Berti Vogts auch nur ein Mensch.
Letztlich gilt: Willi Schulz, flotter Mitfuffziger und Ende der Sechziger eisenharter Verteidiger beim HSV, könnte gleichfalls reaktiviert werden. Gleiches gälte für Torjäger Kevin Keegan (39) und natürlich auch für Willi Reimann, der mit seinen 40 Jahren zwar schon eine beachtlich erfolglose Trainerkarriere hinter sich gebracht - unter anderem beim HSV - aber für den einen oder anderen Torerfolg immer noch gut sein dürfte. Nicht zu vergessen natürlich Horst Hrubesch, kongeniale Birne und idealer Verwerter der Kaltzschen Krummflanken - Hrubesch nämlich fühlt sich als Assistent Ernst Happels beim FC Tirol sichtlich unterfordert.
Und was sagt Uwe Seeler dazu, der Mann, mit dessen Abschied der HSV seinen vorletzten Charismatiker verlor? Ungewiß, denn er speckt momentan bei einer Fastenkur ab. Aber erfahrungsgemäß würde er sagen: „Ich glaube, äh, beim Fußball, äh, der HSV, äh, letztlich zählen nur Tore, äh, das alte Eisen, äh, Menschen...“ Eben. Und deswegen hat Manni all unsere Liebe verdient.
JaF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen