Epizentrum Natal

■ Die Wellen des blutigen Kriegs zwischen Inkatha und ANC erreichen auch den Gürtel um Johannesburg

Berlin (taz) - Die einen nennen ihn „Friedensengel“ und verleihen ihm einen (indischen) Friedenspreis. Für die anderen ist er ein gefährlicher Kriegstreiber, auf dessen Konto allein in der Krisenprovinz Natal Tausende Tote gehen. Die Rede ist von Mangosuthu Buthelezi, dem 61jährigen Zulu -Führer im Homeland Kwazulu, das von den Apartheid -Kartographen am Kap einst als „Muster(home)ländle“ präsentiert wurde. Spätestens seit der Legalisierung des von Anbeginn an multiethnischen ANC witterte der „moderate“ Führer Buthelezi Gefahr für seine traditionalistische, ländliche Zulu-Partei. Immer wieder behauptet er, seine Anhänger würden angegriffen. Der ANC hingegen wirft der Polizei vor, sie decke Inkatha-Anhänger, und fordert seit langem, mit der Polizei zusammen Natal zu überwachen.

Vor drei Jahren begann der schwer durchschaubare Krieg, in dessen Verlauf bisher über 3.500 Menschen umkamen - mehr als in vergleichbarer Zeit in Nordirland und Libanon zusammen. Die Ursachen dieser „Killing fields“ liegen jedoch tiefer als allein im Kampf Schwarz gegen Schwarz. Als Buthelezi 1975 seine Inkatha-Bewegung gründete, hatte ihm der ANC, dessen Jugendverbandsmitglied er von 1948 bis 1952 selbst war, noch wohlwollend zugenickt. Als direkter Nachfolger des legendären Königs Shaka stieg Mangosuthu Gatsha Buthelezi 1976 zum Chief des Homelands Kwazulu auf. Sein „selbstregierter“ Einparteienstaat basierte in erster Linie auf der Loyalität der ländlichen Zulu-Chiefs. Sie entschieden über die Vergabe des knappen Bodens. Öffentliche Bedienstete und sogar StudentInnen mußten einen schriftlichen Treueeid auf die Homeland-Regierung und Inkatha ablegen.

Doch schon Ende der Siebziger begann das Homeland-Modell zu erodieren. Die wahnwitzige Idee, man könne 28 Millionen Schwarze in zehn, teils „unabhängigen“ Homelands auf nur 13 Prozent des gesamten Bodens pferchen, schlug zurück. Auch in Natal gingen viele vom Land in die Industriezentren, weil die Arbeitslosigkeit die 50-Prozent-Marge überschritt. Städte wie Durban und Pietermaritzburg sind heute umzingelt von riesigen Slums, ähnlich wie Johannesburg. Von den sieben Millionen Zulus wohnt die Hälfte außerhalb des Homelands Kwazulu. Viele verdingen sich als WanderarbeiterInnen.

Buthelezi, der für freie Marktwirtschaft und Parteienpluralismus eintrat und den bewaffneten Kampf des ANC verurteilte, konnte mit den Folgen dieser Verstädterung nicht leben. Er unterband den Aufbau von Gewerkschaften und anderen Anti-Apartheid-Gruppen wie der „United Democratic Front“ (UDF) im eigenen Herrschaftsbereich. Sein Image kippte - aus dem alternativen schwarzen Politiker der 70er Jahre wurde der „Kollaborateur“, ein „Onkel Tom“ der Pretoria-Regierung, der viele jugendliche AnhängerInnen verlor. Jüngst präsentierte Buthelezi die ersten weißen Parteimitglieder, um zu beweisen, daß auch seine Partei multiethnisch sei und er ein Recht auf Machtbeteiligung habe. Häufiger ist die Rede von einer Koalition Inkatha -Nationale Partei. Derweil geht das Töten weiter. Leicht kann sich diese Gewalt verselbständigen, insbesondere unter einer Jugend, die nichts anderes als Armut und Arbeitslosigkeit erfuhr.

Andrea Seibel