„Die Frauen werden alle politischen Kanäle nutzen“

■ Berlin will die sofortige Übernahme der DDR-Fristenregelung für die gesamte Stadt / Bundesjustizministerium bleibt hart / Annäherungen beim Tatortprinzip möglich / Ein Gespräch mit der Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD)

INTERVIEW

taz: Bundesjustizminister Engelhard hat Ihren Vorschlag, für Gesamtberlin sofort die Fristenregelung einzuführen, harsch kritisiert. Das sei ein „bundesfeindlicher Alleingang“. Wie ist jetzt der Stand der Dinge?

Jutta Limbach: Diese Frage muß auf politischer Ebene geklärt werden. Auf der Fachebene sind die Verhandlungen weitgehend abgeschlossen. Die Berliner Besonderheit ist dabei nicht berücksichtigt worden. Aber bei der Frage, ob während der Übergangszeit bei der Abtreibung und der Homosexualität das Prinzip des Tatorts oder das des Lebensmittelpunkts gelten soll, ist durch den FDP-Parteitag Bewegung in die bundespolitische Landschaft gekommen. Engelhard hat offenbar die Absicht, sich hier zu bewegen. Ähnliche Anzeichen haben wir für unser spezifisch Berliner Problem allerdings noch nicht. Ich habe selbst noch einmal an den Bundesjustizminister geschrieben und deutlich gemacht, daß unser Ansinnen nicht verfassungswidrig ist und wir auch nicht bundesfeindlich agieren.

Aber der Paragraph 218 ist nun einmal Bundesgesetz. Deswegen kommt doch der Vorwurf: wie kann sich das Land Berlin hier selbständig machen?

Das kann es auch gar nicht. Der Senatsbeschluß bedeutet ja noch überhaupt keine Strafrechtsänderung. In dem Einigungsvertrag müßte für Berlin eine Besonderheit vorgesehen werden, dergestalt, daß nicht nur im Ostteil der Stadt das alte DDR-Recht gilt, sondern ein etwas modifiziertes DDR-Recht auch auf den Westteil der Stadt erstreckt wird. Das ist natürlich etwas ganz Besonderes. In dem Einigungsvertrag haben wir ja nur Erstreckungen von West nach Ost. Das ist ein Ausnahmefall, der ohne die Absegnung des Einigungsvertrages durch Bundestag und Bundesrat nicht gelten könnte.

„Wir wollen das Tatortprinzip haben“

Die Gesamtberliner Fristenregelung würde also nur für eine Übergangszeit gelten, bis ein gesamtdeutsches Parlament die Entscheidung trifft?

Genau so. Im übrigen verfolgen wir die Generalstrategie mit. Wir wollen, was das interlokale Strafrecht angeht, das Tatortprinzip haben. (Für Frauen aus der BRD, die auf dem Gebiet der DDR abtreiben, würde die Fristenregelung gelten und nicht die bundesdeutsche Indikationenregelung. D.Red.) Berlin will insofern darüberhinausgehn, als wir sagen, innerhalb des Westteils der Stadt kann nicht das alte Strafrecht weitergelten. Stellen Sie sich den Strafrichter vor, der gegen eine Frau, die im Westteil der Stadt wohnt, ein Strafverfahren mit Urteil zuende bringen muß, das hinsichtlich einer Bürgerin aus der DDR nicht gelten würde.

Die Initiative „Frauen fordern ihre Recht“, an der Sie sich ja auch beteiligen, will im zweiten Staatsvertrag eine Option auf die gesamtdeutsche Fristenregelung durchsetzen und als Nahziel erreichen, daß in der übergangszeit das Tatortprinzip gilt. Engelhard signalisiert Zustimmung, aber von CDU und CSU kommt entschiedener Widerspruch. Jetzt hat sich auch Kanzler Kohl zu Wort gemeldet, und gesagt, es soll dabei bleiben, daß die BRD-Frauen nach bundesdeutschem Recht bestraft werden. Was macht die Intiative dann?

Die Initiative will ja bis zum letzten arbeiten. Die benutzt ja alle politischen Kanäle, die es gibt. Und wir haben auch beschlossen, daß wir damit im Bundesrat antreten werden. Und genauso im Bundestag.

Was heißt das? Werden die SPD-Länder die Zustimmung verweigern?

Ob wir das noch so weit bekommen - soweit sind wir nicht. Aber das wäre natürlich zu überlegen, ob man sich so verhält. Aber erstmal werden wir dies Stadium der Einigungsverhandlungen abwarten.

Aber wenn sich da die C-Parteien durchsetzen?

Natürlich werden wir das weiterverfolgen. Natürlich werden wir mit den jeweiligen Regierungen der sozialdemokratisch geführten Länder darüber sprechen müssen, ob das nicht ein ausreichender Grund ist, dann hier zu sagen, wir stimmen nicht zu. Sie können sich darauf verlassen, daß die Frauen, die diese Entschließung mitformuliert haben, auch an allen Ecken und Enden dafür kämpfen.

Interview: Helga Lukoschat