Empörung über DDR-Strompläne

■ SPD und Bündnis 90/Grüne prostestieren gegen Knebelung der Gemeinden / Stromvertrag soll möglicherweise vor der Volkskammersitzung am Mittwoch unterzeichnet werden

Berlin (taz) - Der Streit um die Energiezukunft der DDR bleibt spannend. Die Empörung über den Versuch von DDR -Umweltminister Karl Hermann Steinberg (CDU), eindeutige Volkskammerbeschlüsse zur Kommunalisierung der Energiewirtschaft auf dem Gebiet der DDR auf dem Verordnungswege auszuhebeln, beschäftigte gestern Energiefachleute der Fraktionen. Als „Frechheit“ und Versuch, den zur Übernahme der DDR-Stromwirtschaft bereitstehenden Westkonzernen RWE, PreussenElektra und Bayernwerke „lästige Konkurrenten vom Hals zu schaffen“, bezeichnete der Energieexperte des Ostberliner Umweltinstituts, Christian Matthes, die dem Ministerrat zur Verabschiedung vorliegende „Zweite Durchführungsverordnung“ zum sogenannten Kommunalvermögensgesetz (KVG). In einer gemeinsamen Erklärung schimpften der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Volkskammerfraktion, Ulrich Stockmann, und der wirtschaftspolitsche Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, Günter Nooke, gegen die „eklatante Beschränkung der Gemeinden“ bei der Gründung eigener Stadtwerke.

Nach der Verordnung dürfen auch Großstädte nur sehr beschränkt eigene Kraft- oder Heizwerke betreiben. Willkürlich wird zudem der Zugriff der Kommunen auf die Stromnetze in ihrem Territorium auf 1 Kilovolt-Leitungen begrenzt. Städte wie Dresden verfügen über 110 Kilovolt -Leitungen und haben Ansprüche auf diese Netze entsprechend den Regelungen des KVG bereits schriftlich geltend gemacht.

Gleichzeitig wird den Kommunen angeboten, kleinprozentige Kapitalbeteiligungen an den dann mehrheitlich von den Westkonzernen gehaltenen regionalen Energieunternehmen zu übernehmen. Das soll sofort möglich sein. Hohe Hürden werden dagegen gegen jeden Versuch errichtet, die lokalen Energieanlagen in städtisches Eigentum zu überführen und auf dieser Basis kommunale Stadtwerke aufzubauen. So soll die Treuhand darüber entscheiden, ob „die Energieversorgung nicht besser und wirtschaftlicher durch ein Energieversorgungsunternehmen wahrgenommen werden kann“. Die Übertragung der Anlagen auf die Kommunen darf zudem nicht vor dem 31. März 1991 erfolgen. Zu den Auflagen für interessierte Kommunen gehört auch die „Übernahme der Beschäftigten“ ohne wenn und aber. In den bisherigen Entwürfen des Stromvertrags mit den Westkonzernen war dagegen stets von Arbeitsplatzabbau und „Sozialprogrammen“ die Rede.

Unterdessen brüteten gestern Vertreter der bundesdeutschen Stromriesen RWE, Preussen Elektra und Bayernwerk in Berlin erneut mit ihren Partnern aus dem DDR-Umweltministerium und der Treuhandgesellschaft über einem neuen Entwurf des Übernahmevertrags. Die von den Verbundunternehmen von Anfang an angestrebte mehrheitliche Übernahme der Stromversorgung östlich der Elbe ist nicht mehr strittig. Andere Konzerne aus dem Bundesrepublik und dem europäischen Ausland und die Gebietskörperschaften der DDR sollen lediglich mit Minderheitsbeteiligungen „mitmachen“ dürfen. Möglich scheint auch die vollständige Freistellung der Konzerne von den Altlasten der 15 regionalen ehemaligen Energiekombinate, die in der Branche auf 150 bis 200 Millionen DM pro Kombinat geschätzt werden. Ziel der Verhandlungen scheint es zu sein, den Vertrag zu unterzeichnen, bevor das Geschäft am kommenden Mittwoch erneut auf die Tagesordnung der Volkskammer gerät.

Gerd Rosenkranz