VS-Chef Lochte gegen Iso-Haft

■ Der Hamburger Verfassungsschutz plädiert für die Aufhebung der Isolation der RAF-Gefangenen / Verfassungsschutz-Chef Christian Lochte: „Besondere Haftbedingungen“ nutzen nur der RAF

Von Gerd Rosenkranz

Hamburg (taz) - Das Landesamt für Verfassungsschutz in Hamburg will auf Bundes- und Länderebene für die Zusammenlegung der Gefangenen der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) in Gruppen von bis zu acht Personen eintreten. Der Chef des Hamburger Amtes, Christian Lochte (CDU), begründete seinen überraschenden Vorstoß in einem taz-Gespräch vor allem damit, daß die „besonderen Haftbedingungen“ der RAF in den zwanzig Jahren ihrer Existenz „vielmehr genutzt als geschadet“ hätten.

Sollte Lochte sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen, könnten die Gefangenen selbst bestimmen, mit wem sie künftig zusammenkommen wollen. Auch zwischen den Häftlingsgruppen soll ein regelmäßiger politischer Austausch möglich sein. Die Gefangenen würden im jeweiligen Knast außerdem in den sogenannten Normalvollzug integriert.

Erstmals 1973 und dann noch weitere neun Mal haben die RAF -Gefangenen in lang andauernden Hungerstreiks gegen ihre Isolation in den Haftanstalten der Bundesrepublik protestiert und ihre Zusammenlegung in große Gruppen verlangt. 1974 starb ein RAF-Gefangener der ersten Generation, Holger Meins, nach fünfzig Tagen Hungerstreik. 1981 kam Sigurd Debus unter nie vollständig geklärten Umständen während einer weiteren Hungeraktion ums Leben. Der letzte Hungerstreik im vergangenen Jahr endete nach ziemlich genau hundert Tagen - mit minimalen Zugeständnissen des Staates. Die Gefangenen hatten unter anderem eine Zusammenlegung in „ein oder zwei große Gruppen“ gefordert. Immerhin gelang es während der Aktion erstmals, die liberale Öffentlichkeit für die Forderung der Gefangenen nach freier politischer Diskussion untereinander und mit symphatisierenden Gruppen außerhalb der Knäste zu mobilisieren. Nach dem Hungerstreik, den einige Gefangene bis an den Rand des Komas durchhielten, wurden Gruppen von bis zu vier Personen gebildet.

Lochte erklärte im Gespräch mit der taz, die Haftbedingungen hätten jahrzehntelang die „Kampfeshaltung“ vieler Gefangener gegen den Staat stabilisiert. Die politische Diskussion mit ihren Gesinnungsgenossen in anderen Haftanstalten sei nur konspirativ „in Stichworten und im Zeitlupentempo“ zum Beispiel über Zellenkassiber möglich gewesen. „Eine Bewegung im Denken ist so gar nicht möglich“, sagte Lochte. Außerdem hätten die besonderen Haftbedingungen, die „nie normal“ gewesen seien, den RAF -Häftlingen als erfolgreiches Agitationsmittel gedient, um draußen immer neue Anhänger zu gewinnen.

Der Hamburger Verfassungsschutz-Chef glaubt, daß die Gefangenen heute versuchen, einer nach seiner Auffassung zunehmend orientierungslosen aktiven RAF außerhalb der Mauern politisch die Richtung zu weisen. Das gehe aus „einer Fülle teilweise verschlüsselter Kassiber“ hervor, die bei Zellendurchsuchungen in verschiedenen Knästen Ende März dieses Jahres gefunden worden seien. Gleichzeitig dementierte er nachdrücklich, die immer wieder von konservativen Politikern aufgestellte Behauptung, RAF -Anschläge würden in den Knästen geplant. Eine solche „Steuerung aus den Zellen heraus“ gebe es schon lange nicht mehr, sagte der Verfassungsschützer. Wer auf Grund der Zellenfunde jetzt für noch rigidere Haftbedingungen plädiere, würde „nicht nur in der Praxis scheitern“, meinte Lochte, „er würde auch den Rahmen von Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit sprengen“.

Lochte gestand ein, daß die Politiker aller Parteien den „Terrorismus“ in der Vergangenheit überbewertet hätten. Das Ergebnis seien „überdimensionierte Antworten“ auch bei den Haftbedingungen gewesen. Heute jedoch gebe es „für den Staat gute Gründe aus der Position der Stärke heraus, den gordischen Knoten zu zerschlagen“.

Der Verfassungschützer ist überzeugt, daß die Zusammenlegung „zwangsläufig eine politische Fraktionierung“ der Gefangenen nach sich ziehen und den Zusammenhalt der Gruppe schwächen werde. Es sei eine Wahnvorstellung der „Hardliner“ in der RAF, die Zusammenlegung könne zur „Basis für die Fortführung des bewaffneten Kampfes“ werden oder sie der Freiheit näherbringen. „Niemand kommt frei, um wieder bomben zu können“, beruhigte Lochte die kompromißlosen Vertreter einer harten Linie gegen die Gefangenen. Die Justizminister von CDU und CSU und insbesondere der inzwischen pensionierte ehemalige Generalbundesanwalt Kurt Rebmann haben in der Vergangenheit jede Lockerung der Isolationshaft bekämpft.

Über den Zeitpunkt seines Vorstoßes sagte Lochte, es sei „wenig erfolgversprechend, einen solchen Gedanken im Zusammenhang mit einem Anschlag oder mit einer zugespitzten Situation bei einem Hungerstreik ins Gespräch zu bringen“, weil es in solchen Zeiten dafür keine Akzeptanz in der Öffentlichkeit gebe. Außerdem wies der Verfassungsschützer darauf hin, daß zur Zeit auf Bundes- und Länderebene verstärkt strategische Überlegungen zur Frage: „Warum gibt es die RAF nach zwanzig Jahren immer noch“, angestellt würden. In diesen Zusammenhang wolle er die Vorstellungen seines Amtes „als wichtigen Gesichtspunkt“ einbringen.