Dreimal mehr Verkehr zwischen Ost und West

■ Horrorzahlen über die Steigerung des Autoverkehrs in der Innenstadt / Aber selbst die sind noch zu optimistisch

60.000 Autos täglich wurden in den letzten Jahren vor der Grenzöffnung auf der Entlastungsstraße gezählt - mehr als auf vielen Autobahnen in Westdeutschland. Die Straßen, die in Nord-Süd-Richtung durch die Ostberliner Innenstadt führen, sind heute schon ständig verstopft. Als wäre das nicht schlimm genug, prognostiziert Gutachter Günther Hoffmann, für die nächsten Jahre 2,6mal soviel Autoverkehr in Nord-Süd-Richtung. Zwischen Osten und Westen rechnet der Professor sogar mit einer Verdreifachung.

Horrorzahlen, gewiß, doch selbst diese Prognosen sind überaus optimistisch. Hoffmann ermittelte sie „durch bewußte Nichtberücksichtigung von zu erwartenden allgemeinen Steigerungsfaktoren im Kraftfahrzeugverkehr“ und indem er eine „gezielte Abminderung von Fahrten“ zu den Citygebieten und zu den neu zu schaffenden Arbeitsplätzen im Planungsgebiet annahm. Hoffmann machte sich große Hoffnungen: In West-Berlin hat der motorisierte Individualverkehr heute im Verhältnis zum öffentlichen Nahverkehr einen Anteil von 61 Prozent gegenüber 39 Prozent, Hoffmann hofft auf einen Modal Split von 44 zu 56.

Doch „selbst unter diesen Bedingungen“, klagt die Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt, würde in Hoffmanns Rechenmodell der Verkehr zusammenbrechen. Schon mittags zwischen 12 und 13 Uhr müßte eigentlich ein Modal Split von 35 zu 65 herrschen, damit die Innenstadt nicht im Stau erstickt, am späten Nachmittag sogar von etwa 25 zu 75. Eine „noch so weitreichende Angebotsplanung im System Straße könnte da nicht Abhilfe schaffen“, bemerkt der Gutachter.

Franziska Eichstädt hat das Gutachten aufmerksam gelesen. Gerade auf den Kreuzberger Straßen, hat sie festgestellt, würde der „tägliche Verkehrskollaps zur Selbstverständlichkeit“. Würde die von Hoffmann empfohlene und von Wagner aufgegriffene - Variante zur Straßenführung Wirklichkeit, wäre auf den Kanaluferstraßen in normalen Zeiten mit stündlich 2.700 Autos zu rechnen, zu Spitzenzeiten sogar mit 5.000. Noch schlimmer träfe es die vergleichsweise schmale Wilhelmstraße. Sie müßte in Höhe Anhalter Straße zur Normalzeit 3.000 Autos pro Stunde aufnehmen und in der Verkehrsspitze mit 5.450 noch einmal das doppelte. Eichstädts Frage: „Ist dieses Schicksal unabwendbar?“

hmt