1.000 Alt- und Neonazis ehrten Rudolf Heß

■ Das oberfränkische Wunsiedel wird zum Mekka der Rechtsradikalen / Hitlergruß und CS-Granate im Cafe

Aus Wunsiedel Bernd Siegler

Etwa 2.500 DemonstrantInnen protestierten am Samstag im oberfränkischen Wunsiedel gegen die Wallfahrt von Alt- und Neonazis anläßlich des dritten Todestages des Hitler -Stellvertreters Rudolf Heß. Heß war nach seinem Selbstmord im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis auf dem Wunsiedeler Friedhof beerdigt worden. Mit etwa 1.000 Teilnehmern war der Marsch der „Rotfront verrecke“ und „Rudolf Heß - Märtyrer für Deutschland“ skandierenden Rechtsradikalen, die unter der Reichskriegsflagge in Sechserreihen durch die 10.000 -Einwohner-Stadt zogen, bislang die größte faschistische Demonstration in der BRD in diesem Jahr. Schon im Vorfeld hatten besonders Michael Kühnen und der Vorsitzende der militanten „Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP), Friedhelm Busse, in der DDR für Wunsiedel mobilisiert. Mit Erfolg - viele Neonazis und Skins kamen mit Bussen aus der DDR, insbesondere aus Thüringen, angereist.

Die Polizei, die starke Kräfte des Bundesgrenzschutzes, der Bereitschaftspolizei und der bayerischen Spezialeinheiten „Unterstützungskommando“ in die Festspielstadt beordert hatte, verzeichnete 54 Fest- und Ingewahrsamnahmen wegen Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Acht antifaschistische DemonstrantInnen erlitten durch Polizeiknüppel Platzwunden am Kopf, eine Frau mußte ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Polizeieinsatzleiter Peter Schnitte von der Polizeidirektion Hof weigerte sich, über die Festnahmen und sichergestellte Waffen genaue Angaben zu machen. So ließ er es offen, bei wem eine scharfe Pistole, mehrere Messer und Schlagwerkzeuge sichergestellt worden waren. Nur bei einem Patronengürtel mit angeblich scharfer Munition war sich Schnitte sicher, daß er aus dem autonomen Spektrum stamme. Daß Dokumentationstrupps der Polizei mit RTL- und Sat-1 -Aufklebern auf ihren Videokameras in Wunsiedel operierten, will Schnitte „überprüfen“. Er rechtfertigte den Knüppeleinsatz der Polizei gegen antifaschistische DemonstrantInnen, die hauptsächlich dem autonomen Spektrum der BRD und der DDR zuzurechnen waren, damit, daß sich die Alt- und Neonazis schließlich so verhalten würden, daß sie nächstes Jahr wieder nach Wunsiedel kommen dürften. „Warum sollten wir da einen Grund haben, auf die Rechten einzuprügeln?“ Daß ein Neonazi aus Bad Segeberg in einem voll besetzten Cafe eine CS-Gas-Granate gezündet hat oder viele Rechtsradikale den Widerstands- und Hitlergruß gezeigt haben, wertete Schnitte als Einzelfälle, die ein Verbot des Aufmarsches im nächsten Jahr wohl kaum rechtfertigen könnten. Hatte das Landratsamt noch in den letzten beiden Jahren erfolglos versucht, den Aufzug der Rechtsradikalen gerichtlich verbieten zu lassen, wurden heuer beide Demonstrationen sofort genehmigt. Unter Polizeischutz wurde die Neonazi-Prominenz, allen voran Michael Kühnen und Thomas Brehl, Christian Worch und Thomas Wulff von der „Nationalen Liste“ in Hamburg, zum Versammlungsplatz geleitet.