Tourismus geht nicht von allein

■ Ministerium will den Tourismus fördern / Sanfter Tourismus erweist sich als schwer durchsetzbar

INTERVIEW

Das Ministerium für Handel und Tourismus spricht von 80.000 bis 100.000 neuen Arbeitsplätzen, die durch Tourismusförderung geschaffen werden sollen. Rund 200.000 Menschen sind im Fremdenverkehr und in der Gastronomie beschäftigt. Hans-Jürgen Wolff, Abteilungsleiter für Tourismuspolitik im Ministerium für Handel und Tourismus, ist seit Gründung des Ministeriums im Dezember für Tourismuspolitik zuständig.

taz: Mit welchen Methoden wollen Sie den DDR-Tourismus fördern?

Hans-Jürgen Wolff: Wir fördern private Initiativen. Niederlassungsfreiheit für Tourismusunternehmen besteht seit Anfang Januar, also schon bevor das Gewerbegesetz verabschiedet wurde. Seither wurden etwa 1.300 private Gewerbe angemeldet. Gleichzeitig versuchen wir, Engpässe bei Zimmerkapazitäten zu beseitigen, indem wir vorhandene Häuser sanieren.

Das Ministerium hat 340 Millionen Mark für Tourismusförderung eingesetzt. Wofür wurde das Geld verwendet?

Für Baumaßnahmen; die Qualität der Unterkünfte ist bisher nicht zufriedenstellend. Wir arbeiten an Erschließungsmaßnahmen für den Bau von Campingplätzen oder daran, sie attraktiver zu gestalten. Weil das Geld fehlt, um alle Gemeinden zu unterstützen, haben wir eine Informationsveranstaltung für 160 Bürgermeister organisiert.

Heißt Tourismusförderung nicht auch, daß sie mehr Touristen ins Land holen wollen?

Es sollten mehr werden. Wir werden sicher nie das Reiseland Nummer eins in Europa. Aber wir haben schon ein gewisses Potential: den Harz, die Sächsische Schweiz und die Ostseeküste.

Gerade diese Regionen sind schon jetzt stark überlaufen. Wollen Sie zukünftig neue Regionen erschließen?

Ja, zum Beispiel die Altmark. Seit der Grenzöffnung kamen viele für einen Tagesausflug in die Region. Aber erst mit Übernachtungen läßt sich Geld verdienen. Wichtig ist, den Leuten klarzumachen, daß Tourismus nicht von alleine geht. Man muß selber aktiv werden, Häuser attraktiv anbieten, Prospekte und Kataloge erstellen. Weil das fehlt, sind viel weniger Touristen gekommen, als wir eigentlich erwartet haben. In einzelnen Gebieten wie zum Beispiel an der Ostsee ist es sicher nicht wünschenswert, daß noch mehr Touristen kommen. Das würde unserer Konzeption des „Sanften Tourismus“ widersprechen.

Was verstehen Sie unter „Sanftem Tourismus“?

Tourismus steht immer im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie. Wir versuchen, den ökologischen Schaden so gering wie möglich zu halten. Vorhandene Kapazitäten sollen saniert werden. In größeren Städten werden wir allerdings auch auf Konzerne zurückgreifen, die Hotels für uns bauen. Da gibt es allerdings Probleme mit Grund und Boden, deshalb kommen wir da im Moment nicht so recht voran. Zunächst wollen wir einfache Formen wie Rad- oder Reittourismus fördern. Der Tourismus kann anfangs für viele nur ein Nebenerwerb sein, etwa um landwirtschaftlichen Erwerbsausfall auszugleichen. Jedoch kommen wir nicht darum herum, diesen Wirtschaftsbereich zu entwickeln. Wir müssen verhindern, daß die Landschaft kaputt geht. Dazu gehört Verantwortungsgefühl. Es ist eben etwas anderes, als Autos oder Waschmittel zu verkaufen.

Wenige Touristen hinterlassen dieses Jahr drei Mal soviel Müll. Was wollen Sie tun?

Appelle alleine an die Bevölkerung helfen da nicht. Man muß ökonomische Stimuli miteinsetzen, Einwegverpackung und Dosen mit einer Gebühr belegen.

Können Sie verhindern, daß die Ostsee-Küste in zehn Jahren wie eine Betonwüste aussieht?

Ich bin fest davon überzeugt, daß wir das absolut verhindern können. Ich glaube nicht, daß wir die Küsten zubauen und daß Konzerne bestimmen. Die klimatischen Bedingungen an der Ostsee sind so schlecht, daß sich große Konzerne gut überlegen, ob sie investieren. Letzendlich müssen aber die Menschen in der Region entscheiden.

Sie wollen im Bereich Handel und Tourismus 80.000 bis 100.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig werden viele Mitarbeiter in der Gastronomie entlassen ...?

Die wirtschaftliche Situation wirkt sich natürlich auch auf den Tourismus aus, deshalb verlieren viele erst mal ihren Arbeitsplatz, obwohl man sie über kurz oder lang wieder im Tourismus braucht. Es gibt Umschulungsmaßnahmen in großem Umfang. Wir brauchen Berater für die Kommunen und wollen Fremdenverkehrsämter aufbauen.

Wem gehören die ehemaligen FDGB-Ferienheime?

Zu 80 Prozent ist das staatlicher Besitz, weil die Heime mit staatlichen Geldern gebaut und unterstützt wurden. Der Rest ist gewerkschaftliches Eigentum, das aus der Zeit von vor 1933 stammt. Ich glaube, mit der Einheit entsteht eine ganz neue Situation. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine GmbH 60.000 Betten verwalten kann. Da gibt es zur Zeit Zweifel.

Interview: Karin Mayer