Kindergarten gegen Peter den Großen

Gespräch mit Elisabeth Kuster-Wendenburg, stellvertr. Übersee-Museumsdirektorin / Neuer Kreml-Gaststar: Peter der Große  ■  hierhin bitte die

Frau mit Kette

vor Pagode

Der Schmetterling an ihrem linken Revers schillert, wie man das auch von einer Frau erwarten kann, die Herrin ist über Südsee und japanische Gärten, Evolution und Kremlgold. Dazu diese naturbelassenen Türkise um den Hals, typisch Geologin? Frau Dr.rer. nat. Kuster-Wendenburg, seit acht Jahren am Museum, ist seit einem Jahr stellvertretende Übersee-Museums-Direktorin weil der damalige Museumsleiter Ganslmayer auf der Kremlgold -Eröffnung zusammenbrach. Sie ist eine vorsichtige Frau, vielleicht bedacht, keinen Wirbel und keine Fehler zu machen - oder etwa krummere Sachen. Wie ihr Vorgänger, dem nachgesagt wird, eventuell auf ungewöhnliche Weise für sein Museum gesorgt zu haben. Noch schwebt sein Ermittlungsverfahren wegen unkorrekter Handhabung öffentlicher Gelder. Am 1.8. ist er jetzt in vorzeitigen Ruhestand geschickt worden.

taz: Sie sind immer noch stellvertretende Direktorin oder mittlerweile echte?

Kuster-Wendenburg: Nein, ich bin immer noch kommissarische Leiterin des Hauses. Die Ausschreibung wird Ende August veröffentlicht.

Ich nehme an, Sie bewerben sich auch.

Ich weiß es noch nicht, das hängt davon ab, ob die Ausschreibung nicht fachlich gebunden definiert ist.

Das Museum definiert nicht mit?

Doch, wir sind auch beteiligt, aber das ist unheimlich diffizil, weil wir ja einen neuen Senator haben, der hat uns noch nicht gesagt, was er sich gedacht hat mit dieser Stelle oder welche Richtung er für das Museum wünscht. Die Stelle soll aber auf seinen Wunsch international ausgeschrieben werden, so daß auch jemand aus der Dritten Welt sich bewerben kann. Eine interessante Sache, aber derjenige muß natürlich gut deutsch sprechen können.

Was wollen Sie?

Ich wollte von Anfang an die Leitung anders, bißchen demokratischer. Wir hatten ja seit undenklichen Zeiten immer wieder das sogenannte Mitbestimmungsmodell diskutiert. Und es ist nie verwirklicht worden. Herr Ganslmayer hat doch eher das gemacht, was er wollte. Und wir haben jetzt die Dienstbesprechungen umfunktioniert, also es sind alle Abteilungsleiter dabei. Ich versuche auch, Entschlüsse zu fassen, daß alle dahinterstehen können.

Aber ihre Konzeption ist noch die gleiche wie zu Herrn Ganslmayers Zeiten: aus einem Kolonialmuseum ein Dritte-Welt -Museum zu machen?

An der ursprünglichen Neukonzeption waren damals alle Wissenschaftler im Hause beteiligt. Ich hab‘ natürlich auch kein Interesse daran, den Kolonialstaat zu verherrlichen.

Wie ist die momentane Situation?

Es gibt viele Überlegungen. Die Einrichtung des Hauses ist nicht gut genug, überall gibt es Ecken, womit ich mich nicht identifizieren kann.

Beispiele?

Nordamerika um den ersten Lichthof rum, das ist nicht harmonisch, die Farben sind schlecht. Sicher kann man die Dürre nicht schön darstellen, aber trotzdem kann das ganze Bild etwas harmonischer sein. Für die neue Dauerausstellung „Evolution“ im 2. Stock haben wir aber jetzt 500 000 DM zur Verfügung, das ist schon mal ganz schön, da kann man auch mal gute Farbe nehmen und nicht immer die billigste.

Kommen wir mal zu Peter, dem Großen. Nach dem Gold des Kremls und seinen Irr-Lichtern eine neue aufwendige Ausstellung: Haben Sie dabei Bauchschmerzen?

Ich hab‘ im letzten Jahr, als wir die Gold-Ausstellung eröffnet ha ben und Senator Franke gefragt wurde, ob das ein Anfang ist oder weitergeht, da hab‘ ich ihn fest am Arm gefaßt und hab‘ gedacht: hör‘ auf, neinnein, nicht nochmal! Aber nun habe ich mich doch mit dem Gedanken angefreundet. Und Peter ist was anderes, das ist nicht direkt an unser Museum gekoppelt, das soll zwar stärker eingebunden werden, wird aber von außen finanziert.

Von wem?

Teilweise durch Sponsoren und durchs Auswärtige Amt in Bonn. Wir haben dafür jetzt zusätzlich vier Leute eingestellt mit Werkverträgen, und wir haben ABM-Verträge beantragt. Zwei davon erarbeiten eine ergänzende, hinführende Ausstellung, die Besucher sollen ein Ausweichrefugium haben. Und die Schätze aus dem Kreml sind im Sonderausstellungsraum zu sehen.

Was sind das für Schätze?

Das sind ganz persönliche Sachen von Peter: Taufgeschenke, Pa

tengeschenke, Evangeliare, ein Prachtgewand, ein Alltagsgewand, die wunderschönen Knöpfe, die sehr kunstvoll gearbeitet sind, seine Kinderrüstung, überhaupt aus seiner Kinderzeit sehr viel.

Sie waren in Moskau zum Verhandeln und haben schon alles gesehen?

Zweimal. Die Verhandlungen sind natürlich sehr schwierig. Die Russen sind auch hier gewesen, und zwei davon, die das wissenschaftlich bearbeiten, sind tolle, imponierende Frauen, mit denen stehen wir in gutem Kontakt, vom Fachlichen also kein Problem. Nur ist das für die Kremldirektion inzwischen auch eine finanzielle Geschichte. Die sagen: wir wollen ein tolles Fotolabor und einen Kindergarten für unsere Angestellten und wir wollen noch das und das und das, und wenn wir unsere Schätze rausgeben, dann wollen wir dafür Geld. Ich hatte mich aus den finanziellen Verhandlungen rausgehalten, weil ich ja nur sagen kann: Wir haben kein Geld, Zusagen kann ja nur der Herr Hoffmann machen

-der Senatsdirektor von Herrn Scherf war mit dabei

Ja, wir waren zusammen da. Und er hat das Finanzielle verhandelt. Beim abschließenden Gespräch sind sie dann mit ihren Forderungen nochmal ganz hoch gegangen, da hat Herr Hoffmann gesagt, nee, da machen wir jetzt mal 'ne Pause. Ende August wollen wir nochmal zusammenkommen, und dann machen wir einen neuen Anfang. Im Prinzip sind wir seit Oktober dabei, den Vertrag zu unterzeichnen.

Es könnte alles noch platzen?

Ja, das könnte sein. Aber ich glaub's nicht.

Und sie fürchten gar nicht mehr dieses Staubaufwirbeln?

Bei der Goldausstellung bin ich ja so reingerutscht, wie man schlimmer nicht reinrutschen kann. Als Herr Ganslmayer umgefallen

war, da war die Ausstellung noch nicht mal eingerichtet, die Russen saßen da und waren absolut hilflos, und da hab ich gedacht: so. Jetzt, mach‘ ma‘ schnell, übermorgen ist Eröffnung. Das war eine unheimliche Belastung, aber das war so eine Art Feuertaufe,

deshalb hab ich jetzt keine Angst mehr.

Sind Sie gerne Direktorin?

Naja, es hat zum Teil Spaß gemacht und zum Teil nicht. Es war ja einiges aufzuarbeiten, was nicht so erfreulich war. Fragen: clak