Seine Tauben spielten auch Klavier

■ Der Psychologe Burrhus Frederic Skinner, Begründer des Behaviorismus, ist am Samstag im Alter von 86 Jahren in Cambridge an Leukämie gestorben

Wenn Sie sich daran erinnern, wer Skinner ist, indem Sie zum Beispiel an die gleichnamige Box denken, haben Sie schon eine seiner Thesen illustriert: Sie haben nicht die Wahl, sich an Skinner zu erinnern. In Ihrem Gehirn lief eine entsprechende neurochemische Reaktion ab, auf die sie keinen Einfluß haben.

Die Psychologie unserer Moderne gabelt sich mit Freud und Pawlow, den Strategien des Verstehens und/oder der Beobachtung. Wo Freud sich für das verstehende Beobachten entschied, die Interpretation mitsamt ihren Klippen der Dialektik (denn nie werde ich wissen, ob ich Sie wirklich verstehe und vice versa), ging die positivistisch orientierte Verhaltenspsychologie in die entgegengesetzte Richtung: Die Frage ist nicht das Warum, sondern allenfalls das Wie. Jede Erforschung einer Ursache setzt die Annahme ihres freien Willen voraus, und eben jene lehnte der Begründer modernen Verhaltenspsychologie, B.F. Skinner, vehement ab. Der freie Wille erschien ihm als romantische Verkennung der eigenen Ohnmacht (obwohl auch dieses Wort ihm entschieden zu dramatisch gewesen wäre), als die hypostasierte Verweigerung der Einsicht, daß auch die Psyche nichts ist als ein Teil des Körpers, ein neurophysiologisches Zusammenspiel. Was bleibt, ist Training.

Mit Skinner ist der Positivismus zu sich selbst gekommen: Das menschliche Verhalten ließ sich für ihn adäquat und wissenschaftlich korrekt beschreiben, ohne metaphysische, idealistische Begriffe wie „Wille“, „Seele“ oder gar „Freiheit“ zu verwenden - für einen Studenten der griechischen Philosophie eine immerhin eigenwillige Karriere. Seine berühmteste „Erfindung“, die sogenannte Skinner-Box für Tierversuche, überführt die Ideale des Positivismus ins Praktische: eine keimfreie Umgebung, in der das Verhalten ohne äußere Einflüsse beobachtet und konditioniert werden kann.

Skinners Hauptwerk Sciene and Human Behavior, erschienen 1953, löste heftige Diskussionen aus. Die Radikalität seines Werkes, für dessen Anwendung und Popularisierung er sich einsetzte, brachte eine häufig vereinfachende Darstellung mit sich; dennoch fanden seine Thesen Eingang in die Schulpsychologie (das Sprachlabor geht direkt auf seine Ideen zurück) und begründeten die Praxis der heutigen Verhaltenstherapie, die mit den Faktoren Belohnung und Strafe arbeitet. So ist weniger die Anwendung seiner Thesen umstritten als sein Anspruch, allein mit dem Behaviorismus ließe sich eine bessere Gesellschaft aufbauen (geschildert in seiner Vision Futurum Zwei - Walden Two, in den USA der sechziger Jahre ein Kultbuch).

Skinner arbeitete und lehrte in Harvard. Auf die Frage, was er anders hätte machen wollen in seinem Leben, sagte er: „Nur eines...ich würde Tauben nicht mehr das Klavierspielen beibringen.“

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