Warnstreiks im öffentlichen Dienst

■ In Ost-Berlin streiken die Beschäftigten heute für eine Stunde / ÖTV fordert auch Arbeitsplatzsicherung

Berlin (taz) - Zu einem einstündigen Warnstreik im öffentlichen Dienst hat die Gewerkschaft ÖTV die Beschäftigten in Ost-Berlin für heute aufgerufen. Dies betrifft Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, der Feuerwehr, Justiz, Wasserversorgung und im Gesundheitswesen. Wie Kurt Lange, ÖTV-Bezirksvorsitzender in West-Berlin, gestern erklärte, soll damit der Druck auf die Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen verstärkt werden.

Wie es hieß, sei die Gewerkschaft von den Arbeitnehmern zu Aktionen aufgefordert worden, nachdem die Arbeitgeber auch in der zweiten Runde am Freitag kein Angebot zur Einkommenserhöhung vorgelegt hatten. Die ÖTV, die für die rund 1,6 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der DDR am Verhandlungstisch sitzt, fordert eine Erhöhung der Gehälter um 350 D-Mark, mindestens aber um 30 Prozent, und einen Sozialzuschlag von 50 D-Mark für jedes Kind. Dies sei notwendig, so Verhandlungsführer Willi Hanss, da das Nettoeinkommen der Beschäftigten durch die neuen Lohnsteuer und Sozialabgaben erheblich niedriger seien als zuvor. So müsse eine Erzieherin mit zwei Kindern jetzt mit 829 D-Mark, statt bisher 1.047 DDR-Mark auskommen, ein verheirateter Busfahrer im Dreischichtsystem mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden habe monatliche Einbußen von 226,67 D-Mark. Die Einkommen der Ostberliner Beschäftigten liegen bei etwa einem Drittel dessen, was ihre Westberliner Kollegen erhalten. Da es im öffentlichen Dienst der DDR keinen Schutz der Arbeitsplätze gibt, will die Gewerkschaften auch durch Umschulung und Umsetzung eine Beschäftigungssicherung erzielen. Im öffentlichen Personennahverkehr beispielsweise gebe es eine Personalunterdeckung von 30 Prozent.

Spätestens bei der Verhandlungsrunde am 3.September, so die ÖTV, sollen die Arbeitgeber ein „einigungsfähiges Angebot“ vorlegen. Über eine Million Arbeitsplätze, so Hanss, könnten erhalten werden. Für die nächsten Tage kündigte die ÖTV Aktionen in der gesamten DDR an.

maz