BRD-Frauen sollen bei Abtreibung in der DDR bestraft werden

Berlin (taz) - Entgegen den jüngsten Ankündigungen von Justizminister Engelhard und dem Parteitagsbeschluß der FDP vom vorletzten Wochenende sollen bundesrepublikanische Frauen doch nach der BRD-Indikationslösung bestraft werden, wenn sie auf dem Gebiet der ehemaligen DDR abtreiben. Das sieht nach wie vor der Entwurf zum Einigungsvertrag (Stand 18.August) aus dem Justizministerium vor, der gestern in Bonn in dritter Runde verhandelt werden sollte. Aus Reihen der SPD war zu erfahren, daß die SPD-Bundestagsfraktion und die SPD-regierten Landesregierungen die Zustimmung im Bundestag und Bundesrat in Bonn verweigern wollen, falls es bei dieser Regelung bleiben sollte.

Das Präsidium der Freien Demokraten sprach sich auf seiner ersten gesamtdeutschen Sitzung gestern in Bonn gleichfalls dagegen aus, die Frauen aus der Bundesrepublik zu bestrafen. Auch Sozialdemokraten und die parteienübergreifende Initiative „Frauen fordern ihr Recht“ hatten sich für eine Verankerung des im „interlokalen Strafrecht“ üblichen Recht des Tatorts eingesetzt. Danach würden während der Übergangzeit, in der für die DDR die Fristenregelung weiter gilt, Frauen aus der Bundesrepublik straffrei ausgehen, wenn sie in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft eine Abtreibung in einer Klinik oder Praxis in der DDR vornehmen lassen. Die Bonner Fraueninitiative von Frauen aus der SPD, der FDP und den Grünen hatte zudem gefordert, eine Option auf die Fristenregelung im zweiten Staatsvertrag festzuschreiben. Nach Informationen der 'Süddeutschen Zeitung‘ soll es zwischen Innenminister Schäuble und Justizminister Engelhard Differenzen über den Zeitraum der Übergangslösung geben. Nach den Plänen Schäubles würde die Fristenregelung für das Gebiet der ehemaligen DDR maximal zwei Jahre weitergelten, Engelhard wünscht eine Übergangszeit von maximal fünf Jahren. Sollte es aufgrund des Koalitionsbruchs in der DDR-Regierung nicht mehr zu einem Einigungsvertrag kommen, müßten die Regelung der Abtreibungsfrage - wie die anderen Fragen der Rechtsangleichung auch - in einem Überleitungsgesetz geregelt werden. Bei einem sofortigen Beitritt der DDR würde der Paragraph 218 nicht automatisch auf das Gebiet der DDR ausgedehnt werden. Denn auch bei einem Beitritt würden die Bereiche, wo Übergangszeiten für Rechtsangleichungen notwendig sind, vom Geltungsbereich des bundesrepublikanischen Rechts ausgenommen.

Der um 144 Abgeordnete aus dem Gebiet der ehemaligen DDR vergrößerte Deutsche Bundestag in Bonn müßte im üblichen Gesetzgebungsverfahren die Überleitungsgesetze verabschieden.

Lu