: Israels Militärexperten für sofortigen Angriff
Tel Aviv (taz) - Ein Geheimdienstbericht, der gestern an die israelische Regierung ging, geht von der hohen Wahrscheinlichkeit eines amerikanischen Krieges gegen Irak aus, in den schließlich auch Israel aktiv verwickelt sein wird.
Israel ist davon überzeugt, daß ein Krieg im Golf „jeden Augenblick“ wahrscheinlich und definitiv unabwendbar ist. Israels Militärexperten betonen, daß ein amerikanischer Angriff auf Irak nicht länger aufgeschoben werden darf, weil sonst die gegenwärtig noch vorhandenen Vorteile in der internationalen Konstellation verloren gehen können. Beobachter in Tel Aviv fürchten, daß die „Zeit nicht zugunsten der Amerikaner“ arbeitet, und daß auch die Begeisterung für Bush in Amerika selbst nachzulassen droht, wenn es nicht rasche Kriegserfolge gibt. In der arabischen Welt sowie unter den westlichen Verbündeten der Amerikaner droht der Widerstand gegen einen Krieg zu wachsen, wenn Saddam Hussein in der Zwischenzeit die Gelegenheit zu weiteren Gegenmaßnahmen und diplomatischen Initiativen nutzt.
Die bisherige Chefredakteurin der israelischen Zeitung 'Davar‘, Hanna Zemer, meinte gestern in einem Kommentar, es sei zu befürchten, daß die Zeit Saddam Hussein begünstigt und daß sein Regime auch durch die Belagerung und das Embargo nicht untergraben wird. Es könne passieren, daß dann schließlich nicht Saddam Hussein fällt, sondern daß die Regime des Königs Hussein in Jordanien und dann des Präsidenten Mubarak in Ägypten untergraben werden - und dann (so Zemer) „sind wir an der Reihe“. Man kann nur hoffen fügt Hanna Zemer hinzu - daß sich die lange nervenzerrüttende Wartezeit vor einem möglichen Kriegsausbruch im Golf ebenso bezahlt macht, wie die Zeit vor dem israelischen Angriff im Sechs-Tage-Krieg 1967. Die Wartezeit hatte Israel damals optimale Kriegsvorbereitungen und die volle Mobilisierung politischer Unterstützung als Garantie für einen taktischen und strategischen Sieg gesichert.
In der israelischen Regierung ist ein offener Streit über die Verteilung von Gasmasken an die Bevölkerung ausgebrochen. Außenminister David Levi forderte gestern erneut, sofort mit der Verteilung zu beginnen. Das Verteidigungsministerium lehnte dies trotz der erwähnten Einschätzung der Militärexperten ab. Es hieß, für eine solche allgemeine Verteilung bestehe gegenwärtig keine Notwendigkeit. Wenn nötig, würden Gasmasken rasch verteilt.
Verteidigungsminister Mosche Arens hatte in der vergangenen Woche beschlossen, mit der Verteilung der Gasmasken zu warten. Hintergrund des Streits ist eine scharfe Kontroverse zwischen Levy und Arens. Levy beschuldigt Arens, sich in auswärtige Angelegenheiten zu mischen und Levy in den Schatten zu stellen.
Amos Wollin
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