Dasiss die säg-ßu-ölläh Hörichkeit

■ Heinz-Uwe Haus auf Probe mit dem MOKS-Theater / Heute Premiere von „Brecht up'n Swutsch“

hierhin bitte den

Mannskopf mit Brille

Jetzt kauert sie fröstelig in ihrem Dasein und ist bloß noch ein geworfenes Blondchen, was Bescheid kriegt von einer Profi-Hure: „Nicht immer ist es schmackhaft, ungesalzen / sich einen bärtigen Schwanz ins Maul zu stecken“, und so; gleich weiter, Schnitt, wie mit dem Fallbeil, „das muß sie hinkriegen“, sagt neben mir der Regisseur, „jetzt gleich dieses konventionelle Nuttenarsch-Schwenken“. Wie inszeniert man Lieder? Zumal über Liebe, zumal vom Brecht, der schon als Junger kein gasförmiges Sentiment mochte?

Im Stadthallen-Swutsch-Studio von Radio Bremen liegt fleckenweise helles Mittagslicht herum, von der Decke herab hängt ein Stück Technodschungel mit vielen Scheinwerferfrüchten und dazwischen Strängen bunter Kabel -Lianen. Unten, belauscht von etlichen Mikrophonen, probieren SchauspielerInnen vom MOKS-Theater „Brecht up'n Swutsch“, eine szenische Montage von Texten aus Brechts „Liebespostille“. Heinz-Uwe Haus, der Regisseur, sitzt ruhig wie ein Forscher und nimmt, statt Gewebsproben, Notiz von allem. Manchmal schmeißt er ein lautes „Guuttt! “ hin, und das Bühnenvolk teilt es sich. Immerzu müssen sie sich verwandeln und von Schau- zu Schauplatz eilen. „Dramaturgie“, sagt Haus, „ist das Organisieren von Widersprüchen“.

Wir hören Senta Bonneval, die Rauhreife, wie sie die säg -ßu-ölläh Hörichkeit besingt, mit einer ganz unzerbrechlichen Altstimme aus Rauchglas. Was schreibt Haus schon wieder auf? In Streifen hängen rundum Leinwände, von Glyn Hughes bemalt, dem gauguinesken Pinseltroll. Überall raufen Komplementärfarben miteinander, dickes Violett mit gekochtem Orange; großblättrig blüht Enzianblau neben Ei -Gelb;die Formen, muß ich sagen: fleischlich. Das ganze Studio ist in Leinwand gewickelt. Es ist ein Deco von ziemlich orchideeller Art, es steigert die Luftfeuchtigkeit erheblich.

Am Ende muß Haus doch mal

zischeln, und gleich fallen lauter beunruhigte Blicke in den seinen, aber es war nur die Discomusik. Schon wieder zu spät gekommen. Bei der Besprechung ist Haus schon wieder gütlich und sacht und ermuntert rundum. „Und du'Julie“, sagt er, „du mußt dein keep smiling im body drin durchhalten, ach, und Imke, am Ende, wo es so bettig wird, da iß doch ganz langsam eine Pflaume, weißde, schon allein die Form!

Ja, die Liebeslieder. Kindsmörderin, Wäschefalten, Baal. War ja schon enorm brechtisch, der junge BB, finde ich. Findet auch Heinz-Uwe Haus, „also dieses rigorose Baalsche Glücksverlangen, und zugleich beobachtet

er schon sehr scharf.“ Aber all die schnellen Schnitte, kommen sie nicht etwas heftig? Nein, da geht's um das Wachhalten, was als Prinzip, sagt Haus, ganz brechtisch sei und überdies bekanntlich auch giehsig und weigelsch. Gleich sind wir bei Brecht und den Frauen und Brecht, dem Cliquentypen, dem Gruppenarbeiter - ach, Gruppen, ja, „es soll ja Genuß bereiten, mit anderen zu arbeiten„; wird leider selten organisiert, Haus liebt das Wort; da ist oft das Ensemble nur eines nach außen, oder eines, „wie in dem anderen Theater hier, wo ein Guru-Prinzip Zufälligkeiten organisiert“.

Vor einem Jahr sollte Heinz

Uwe Haus am Goetheplatz als fester Regisseur anfangen, dann kam Fricsay, und nach zwei Wochen waren die beiden heillos „auseinanderdividiert“. Haus ging, arbeitete seither wieder als freier Regisseur in aller Welt, und demnächst wird er, er sagt: „als Hobby“, in Nikosia den „Arturo Ui“ machen, den er hier in Bremen nicht mehr fertigstellen konnte, und dann wird er mit dem Stück, das hat ihn besonders gereizt, an deutschen Bühnen gastieren, aber, da entweicht ihm doch ein knarzender Lacher, „hier wohl nicht“. Manfred Dworscha

Premiere heute 21 Uhr, Swutsch-Studio an der Stadthalle