Kunst für Oskar

■ Das letzte Aufgebot - 39 Künstler für Lafontaine

„Seit einiger Zeit kann in Deutschland/West eine besonders robuste Spielart der Politik unangefochten schalten und walten. Widerstand ist rar geworden, Anpassung schon eher die Regel. Der evolutionäre Prozeß innerhalb der Unionsparteien ist zu einem voluminösen Ende gekommen: Die CDU/CSU besteht im wesentlichen nur noch aus Kohl. Wer soviel ersetzen muß, der muß viel schlucken, muß ausufern, sich in jeder Hinsicht ausbreiten, schrankenlos. Da bleibt wenig Platz für andere und anderes. Gefragt ist Ruhe auf dem Sofa. (...) Es ist schon eine Weile her, daß sich bildende Künstler mit ihren Mitteln zu Wort gemeldet und Farbe bekannt haben: ihre Sympathie mit einer Person, mit der man gemeinsam einen Ausweg finden kann aus der satten Selbstzufriedenheit einer dumpfen Politik, die uns in vielerlei Hinsicht in die falschen Alternativen der fünfziger Jahre zurückgeführt hat.

Sympathie bedeutet weder nachlaufen noch Verantwortung kritiklos delegieren, sondern einen eigenen Beitrag leisten zur als dringend notwendig erkannten Veränderung in einer Zeit, die vielen Leuten angst macht, weil viele Formen äußerer Ordnung gefährdet erscheinen. Das Chaos ist das Arbeitsmaterial der Künstler. Sie sollten die geringste Angst davor haben. All jene, die froh waren, daß sich die meisten Künstler mit der Rolle des Dekorateurs zufriedengeben würden, müssen sich auf ein neues Abenteuer gefaßt machen. (...) Schließlich geht es nicht um Oskar Lafontaine, sondern um uns. Machen wir das Sofa zum Trampolin, springen wir allen Gartenzwergen auf die Füße.“

Der Mann, der noch einmal das Steuer herumreißen und Kunst vor einen nach allen Meinungsumfragen im Sand steckenden Karren spannen will, heißt Klaus Staeck. Erinnert sei an das Jahr 1975: Die Bundesregierung versuchte gemeinsam mit der CDU/CSU Opposition, Auslandsausstellungen des engagierten Grafikers finanziell zu boykottieren, da die radikale Gesellschaftskritik in Staecks Arbeiten das Kunstverständnis führender Politiker überforderte und das gepflegte Deutschlandbild diskreditierte.

Schließlich kulminierte 1976 der Streit, als Unionsmänner in einer Staeck-Ausstellung im neobyzantinischen Machtrausch den Bildersturm probten und sich an den Werken des 1938 bei Dresden geborenen Künstlers vergriffen. Fünfzehn Jahre später versucht nun Staeck, unterstützt von inzwischen 39 KünstlerInnen, mit dem Schlachtruf Für Oskar den sozialdemokratischen Hoffnungsträger Lafontaine wenigstens ästhetisch zu einer Kanzler-Alternative aufzubauen.

Die Idee zur Grafik- und Plakatserie Für Oskar wurde im Februar 1990 geboren. Staecks Initiative „Aktion für mehr Demokratie“ mit Sitz in Heidelberg plante ursprünglich nur eine Ausstellung mit künstlerischen Sympathiebekundungen. Doch übertraf die Resonanz die bescheidenen Erwartungen. Fast alle angesprochenen KünstlerInnen sagten zu und so bleibt es nicht bei einer Ausstellung. Ab September soll das Projekt in mehreren Städten Deutschlands (DDR+BRD) präsentiert werden. Die Künstlerliste liest sich wie ein Who is Who der Kunstszene: Neben Penck, Uecker, Salome, Klaucke, Haacke und Hartwig Ebersbach aus der DDR, Nam June Paik, Alfred Hrdlicka, Christo und der Sprayer von Zürich, Harald Naegli. Die wenigsten der beteiligten KünstlerInnen haben das Thema ernst genommem, sondern kunsten wie gewohnt, hier im Format DIN A 1. Oskar aber bleibt draußen.

Mit dem Projekt soll ein Gegengewicht zu den üblichen Wahlkampfmethoden gesetzt werden. Durch den Verkauf der in einer Auflage von 250 Exemplaren gedruckten Grafikedition wird eine Plakatserie finanziert, die im Wahlkampf Deutschlands Litfaßsäulen zieren soll.

a.m.