„Wir helfen den Genossen hier“

■ Die Auseinandersetzungen in den Townships werden von jugendlichen Aktivisten geführt

Aus Soweto Hans Brandt

„Die Situation ist ruhig, aber gespannt“, wiederholt die südafrikanische Polizei in den letzten Tagen routinemäßig. Vor den Wohnheimen für Wanderarbeiter in Soweto, den Brennpunkten der Kämpfe in den letzten Tagen, standen am Montag bewaffnete Zulu-Kämpfer Wache. Autos müssen langsam fahren. Mit Autowracks, Felsen und Müllcontainern hatten Jugendliche im Laufe der Kämpfe die Straßen verbarrikadiert. Die Hindernisse sind nur teilweise entfernt worden.

In einer Seitenstraße in Jabavu, wo die Auseinandersetzungen in Soweto letzten Donnerstag ausbrachen, üben fünf Jungen mit einem Tennisball ihre Kickerkünste. Sie springen beiseite, als eine patrouillierende Kolonne von Militärfahrzeugen und Panzerwagen der Polizei vorbeibrummt. Auf die Frage, ob sie bei den Kämpfen dabeiwaren, winken sie ab. „Wir sind aus Diepkloof („tiefe Schlucht“ - ein anderes Viertel von Soweto, d. Red)“, meint einer. „Wir helfen den Genossen hier, Wache zu schieben.“ In den Straßen in der Nähe der Wohnheime lungern besonders viele Jugendliche herum. Auch die Township-Bewohner sind auf einen Angriff vorbereitet.

Beim Haus an der nächsten Ecke sind alle Scheiben eingeschlagen. Hier haben Anhänger der konservativen Zulu -Organisation Inkatha am Wochenende geplündert. Die Fenster sind mit Wellblech zugenagelt. Der 21jährige Jabu Jack bewacht das Haus. Er ist Mitglied der dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) nahestehenden Jugendorganisation SAYCO. „Der Polizei können wir nicht trauen, die arbeitet mit Inkatha zusammen“, sagt Jack. „Deshalb haben wir Selbstverteidigungsgruppen gebildet, um die Leute in den Townships zu schützen.“ Jack und sein Kollege Hamilton Maratane sind einer Meinung: Der Konflikt zwischen den Townshipbewohnern und den Zulus kann nur gelöst werden, wenn die Wanderarbeiter nach Natal zurückgeschickt werden. „Wir wollen diese Leute nicht mehr“, sagt Jack. „Sie sind verrückt, sie töten sogar kleine Kinder.“ Doch Jack hat auch andere Gründe, warum die Wanderarbeiter verschwinden sollen. „Wir haben nicht viele Arbeitsplätze hier“, sagt er, „und diese Zulus haben unsere Jobs besetzt.“ Außerdem gebe es viele Leute in Soweto, die in Slumsiedlungen wohnten. „Wenn die Wanderarbeiter ausziehen, können die Slumbewohner in die Heime einziehen.“

Die SAYCO-Aktivisten glauben nicht, daß ein Friedensabkommen mit den Heimbewohnern möglich ist. „Dann würde es vielleicht eine Zeit lang ruhig sein“, meint Maratane. „Aber irgendwann würden die wieder angreifen.“ Immerhin hätten die Wanderarbeiter schon während der Schüleraufstände 1976 auf seiten der Polizei gekämpft. Auch ein Treffen zwischen dem Zulu-Führer Häuptling Mangosuthu Buthelezi und ANC-Vizepräsident Nelson Mandela unterstützen sie nicht. „Buthelezi ist eine Schlange, ein Verräter“, sagt Jack. „Mit dem wollen wir nichts zu tun haben.“

Weit über die unmittelbare Situation in Soweto und angrenzenden Wohngebieten hinaus denken die beiden nicht. Ihre Forderung „Schickt die Zulus zurück in ihr Homeland“ erinnert an den alten Apartheid-Spruch: Schwarze gehören nicht ins „weiße“ Südafrika, schickt sie zurück in ihre Homelands. Der Vergleich ist Jack und Maratane peinlich. Aber die Forderung bleibt. Auch die Tatsache, daß schon seit mehr als drei Jahren in der Provinz Natal, aus der die meisten Zulus kommen, blutige Kämpfe zwischen Inkatha und ANC-Sympathisanten andauern, daß die Konflikte also lediglich aus Soweto nach Natal verschoben würden, stört sie nicht.

Scharf kritisieren Jack und Maratane die Entscheidung des ANC, den bewaffneten Kampf zu suspendieren. „Da hat die Regierung unsere Führer irgendwie bestochen“, meint Maratane. „Sie suspendieren den bewaffneten Kampf, und die Regierung schickt das Militär in unsere Townships, um uns zu zerstören.“ Jack und Maratane bereiteten sich am Montag auf eine weitere schlaflose Nacht vor. „Die Inkatha-Leute greifen meist in der Nacht an“, meint Jack. „Zum Schlafen kommen wir nicht.“ Aber in dieser Nacht passierte nichts. „Die Situation in Soweto“, berichtete die Polizei am Dienstag, „ist ruhig, aber gespannt.“