„Preßlufthammerterror“ über Rhein-Main

■ Der Flughafen Frankfurt ist Drehscheibe für aus den USA kommende Maschinen in den Golf / Flugverkehr wird nachts abgewickelt / Bevölkerung fühlt sich terrorisiert

Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) - Das graue Ungetüm hängt fast bewegungslos über dem Main. Wie in Zeitlupe durchbricht die „Galaxy“ dann die dünne Wolkendecke über den Hochheimer Weinbergen und verschwindet aus dem Blickfeld in Richtung Nahost. Noch dröhnen die Motoren - und am östlichen Horizont taucht bereits die nächste der schweren Maschinen auf.

Seitdem die US-Amerikaner in den Konflikt am Golf eingegriffen haben und dort die Kriegsgefahr dramatisch wächst, haben sich auf der Rhein-Main-Airbase, der zentralen Drehscheibe der US-Air-Force in Europa, die Starts und Landungen der schweren „Galaxy-Transportmaschinen in etwa verdoppelt.

Während die Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS) im vergangenen Jahr auf der Airbase im Durchschnittt vierzig Flugbewegungen pro Tag registrierte, müssen die Flutlotsen seit dem Überfall des irakischen Präsidenten und Diktators Saddam Husseins auf den Nachbarstaat Kuwait rund achtzig Militärmaschinen täglich durch den ohnehin überfüllten Himmel über dem Rhein-Main-Gebiet schleusen. „Da müssen wir uns ranhalten“, meinte der Sprecher der BFS, Günther Wallot, auf Nachfrage.

Die Kollegen im Tower hätten ohnehin rund tausend zivile Flugbewegungen pro Tag zu bewältigen - „und das ist schon Streß genug“. Noch habe man auf Rhein-Main „alles im Griff“, denn was den Bürgerinnen und Bürgern in der Region seit Wochen den Schlaf raubt, erleichtert den Fluglotsen die harte Arbeit: Die meisten Militärmaschinen heben nämlich nachts vom Rollfeld ab, dann, wenn der zivile Flugverkehr ruht.

Nachtflugverbot aufgehoben

Seit es am Golf brennt, ist das Nachtflugverbot, das mit Einschränkungen auch für Militärflugzeuge galt, aufgehoben. Und deshalb, so Wallot abschließend, sei es beim Zivilflugverkehr bislang kaum zu Verzögerungen gekommen: „Alles Routine.“

Die Freude der Lotsen ist das Leid der Menschen, die in den Städten und Dörfern rund um den Flughafen wohnen.

„Preßlufthammerterror“ sei das, was sich Nacht für Nacht etwa über dem Rüsselsheimer Stadtteil Königstädten abspiele, meinte der Sprecher der Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms e.V., der Rüsselsheimer Arzt Prof.Dr.Denk. So hätten die US-Maschinen etwa in der Nacht zum 17. August die Bevölkerung in Rüsselsheim und in Nauheim exakt 23mal aus dem Schlaf gerissen. Dabei seien von einer Meßstation in Nauheim Werte von 80 bis 90 Dezibel gemessen worden: „Verdammt viel Lärm“ (Denk). Die Interessengemeinschaft wendet sich mit Vehemenz gegen die Nachtflüge der Air Force. Denk: „Wenn die schon glauben, Krieg spielen zu müssen, dann sollen sie die täglichen Urlaubsflüge abspecken. Die Bevölkerung hier hat schließlich ein Recht auf Nachtruhe.“

Nicht der Nato

unterstellt

„Krieg spielen“ die US-Amerikaner auf der Airbase mit rund 3.500 Soldaten, die ständig dort stationiert sind. Die Rhein -Main-Airbase ist nicht - wie andere US -Luftwaffenstützpunkte in der Bundesrepublik - den europäischen US-Luftstreitkräften unterstellt, sondern wird direkt vom Pentagon aus kommandiert. Das „Militärische Lufttransport-Kommando“ (MAC) operiert auf dem für die militärische Logistik wichtigen Nachschubflughafen autonom. Die „Galaxies“, die „Starlifter„- und „Hercules„-Maschinen kommen mit Panzern, Hubschraubern und anderem militärischen Gerät direkt aus den Vereinigten Staaten zum Auftanken auf die Rhein-Main-Airbase. Danach geht es sofort weiter nach Saudi-Arabien.

Wie Hans-Joachim Schmidt vom Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung auf Anfrage mitteilte, werde allerdings der größte Teil der Truppen- und Ausrüstungstransportflüge der US-Streitkräfte nicht über Frankfurt, sondern über den Militärstützpunkt Layos auf den Azoren abgewickelt. Diese portugiesische Base sei in den letzten Jahren von den US-Amerikanern „verstärkt ausgebaut“ worden.

Die Bevölkerung des Rhein-Main-Gebiets hat demnach noch Glück gehabt. Denn wenn über dem Frankfurter Himmel all die Maschinen der US-Amerikaner landen und starten würden, die derzeit die Azoren anfliegen, wäre der Lärmterror ein permanenter. Im übrigen hat die Bundesregierung alle US -Basen in der Bundesrepublik für den militärischen Betrieb in die Golfregion freigegeben. Darüber hinaus stellte die Bundeswehr zehn Giftgas-Spürpanzer mit dem namen Fox zur Verfügung, die wohl über Rhein-Main in den Nahen Osten gingen.