Vertrag oder Gesetz?

■ Verwirrung in Bonn und Ost-Berlin über DDR-Beitritt

Berlin (taz) - Seltene Einigkeit herrschte gestern in Bonn und Ost-Berlin unter Politikern in ihrer Verwirrung über eine offenbar zentrale Frage: Wird der Beitritt der DDR zum Grundgesetz noch per Einigungsvertrag vollzogen oder „nur“ über ein Überleitungsgesetz?

In Bonn sorgte vor allem SPD-Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs mit der Äußerung für Verwirrung, der Vorteil eines Überleitungsgesetzes bestehe darin, daß es der Zustimmung des Bundesrates bedarf, in dem die SPD über die Mehrheit verfüge. Sicher hingegen ist, daß beide Einigungsmodalitäten der Zustimmung (bzw. Ratifizierung) des Bundesrates wie auch des Bundestages bedürfen, im Falle anstehender Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit. Ein Überleitungsgesetz kann in beiden Gremien noch inhaltlich verändert werden, der Vertrag zwischen den Regierungen natürlich nicht. In beiden Fällen also kann die SPD über ihre Mehrheit im Bundesrat Einfluß nehmen. Inhaltlich müssen sich Einigungsvertrag und Überleitungsgesetz nicht unterscheiden, beim Vertrag bedarf es allerdings der politischen Abstimmung zwischen Koalition und SPD vor Fertigstellung, das Gesetz kann dann noch im Parlament diskutiert und verändert werden - ein Verfahren, das sich weit in den Wahlkampf hineinziehen kann. Ein Beitritt der DDR ohne Vertrag würde zunächst automatisch überall Bundesrecht einführen, da mögliche Ausnahmeregelungen - wie beim Paragraphen 218 - erst nach dem Passieren des Übernahmegesetzes festgelegt werden. Letztlich entscheidet jetzt die SPD über die Alternative Vertrag oder Gesetz.

bg