Bonner SPD völlig überrascht

■ Vogel und Lafontaine begrüßen die Ostberliner Entscheidung zähneknirschend / CDU ist begeistert

Bonn (taz/dpa) - Hans-Jochen Vogel knirscht mit den Zähnen, Hans-Jochen Vogel gibt sich froh: Am gestrigen Morgen noch hatten die Sozialdemokraten in Berlin wiederholt, sie seien für einen ganz frühen Beiritt der DDR. Als die Schwestern und Brüder im Osten dann doch dem von de Maiziere angepeilten 14. Oktober zustimmten, mußte die SPD -Spitze auf Eiern tanzen: Zwar wäre der 15.September ein besserer Termin gewesen; allerdings bedeute die aktuelle Entscheidung einen „Fortschritt“, weil jetzt endlich Klarheit herrsche. Dies beschied etwa SPD-Chef Hans-Jochen Vogel gegenüber der Hörfunkagentur 'Radiodienst Bonn‘. Diplomatisch betätigte auch SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, er „begrüße“ die Einigung, bekundete gleichzeiig aber „Interesse“ an einem schnelleren Beitritt. Dieser, so Lafontaine, entspreche eher den tatsächlichen Erfordernissen. Der SPD-Abgeordnete Norbert Wieczorek gab sich weniger diplomatisch: „Die Ost-SPD muß wissen, was sie tut. Ich hätte einen Beitritt so schnell wie möglich für nötig gehalten.“ Nur Björn Engholm wurde deutlicher: Er plädierte weiter für den sofortigen Beitritt. Dies sei vor dem Hintergrund der „dramatisch zugespitzten Lage in der DDR der entscheidende Punkt“.

Die Bonner Koalitionäre, die gestern in Bonn unter Vorsitz von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) den Einheitsprozeß berieten, begrüßten erwartungsgemäß die Berliner Entscheidung der DDR-Sozialdemokraten. Dies sei ein Schritt, „der Klarheit schafft für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands“, freute sich Kanzler Kohl. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters appellierte an alle Beteiligten, jetzt „zügig und konstruktiv“ am Einigungsvertrag mitzuwirken. Die Bundesregierung wolle „einen fairen Vertrag für die Bildung der deutschen Einheit und einer gesamtdeutschen Regierung“, erklärte er.

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