Rundfunklandschaft in Bewegung

■ Initialzündung für Partikularisierung ging von Sachsen aus / „Antenne Brandenburg“: Ohne Berlin auskommen / Berlin behält medienpolitische Sonderstellung

Von Hannes Bahrmann

Kurz vor der deutschen Einheit werden die Konturen für den Rundfunk in der DDR deutlicher. Die Regionalisierung ist unabwendbar, auch wenn der Gesetzentwurf des Medienministeriums zur Überleitung der zentralen Strukturen in förderale auf Ablehnung in der Volkskammer stieß. Der Rundfunk wird künftig der Hoheit der fünf Länder übertragen. Dort wächst jedoch mit jedem Tag die Einsicht, daß sich dies nicht rechnet. Die Länder sind an Fläche und Bevölkerung eher klein und das Steueraufkommen gering. Zum Vergleich: Die jetzige DDR hat die Einwohnerzahl von Nordrhein -Westfalen. Dabei ist es nicht verwunderlich, daß von dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Land Sachsen die Initialzündung für eine Beschleunigung der Neugestaltung des Rundfunks ausgeht. Mitte August schloß der gerade etablierte Hörfunksender einen eigenen Werbevertrag mit dem Bayerischen Rundfunk ab, Absprachen und ein einheitliches Vorgehen mit den übrigen Landessendern wurden über den Haufen geworfen.

Doch der Schritt der Sachsen ist keineswegs spontan erfolgt. Er entspricht eher einem wohlüberlegten Konzept. Wie aus Dresden zu erfahren ist, steht auf dem Gesetzgebungsplan der künftigen Landesregierung Sachsens ein Mediengesetz ganz oben. Die Reaktion auf den „Partikularismus“ der Sachsen ist nun, daß man sich in den anderen Ländern um so intensiver die Frage vorlegt, wie dort die Dinge - vor allem im Bereich der öffentlich-rechtlichen Medien - strukturiert werden sollen. Der nächste Vorstoß wird wahrscheinlich aus Brandenburg kommen. Hier entstand Anfang Mai der erste DDR-Landessender. „Antenne Brandenburg“ galt allgemein als Signal, es ohne Berlin zu versuchen. Von Brandenburg wird wahrscheinlich der Ruf zur Mehrländeranstalt ausgehen. Wer sich mit wem per Staatsvertrag einigt, ist offen. Im Gespräch ist das Dreiergespann Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin. Auch soll Mecklenburg-Vorpommern angesprochen werden. Dort muß man sich entscheiden, ob man sich der Mehrländeranstalt NDR als „viertes Rad“ anschließt oder sich an der Neugründung beteiligt. Berlin ist ein medienpolitischer Sonderfall. Im Ostteil konzentrierten sich vierzig Jahre lang Hörfunk und Fernsehen der DDR. Der Sender Freies Berlin und der RIAS im Westen haben dort eine treue Zuhörerschaft und stoßen auf große Resonanz. Das DDR-Fernsehen (DFF) und die Radiosender aus dem Ostberliner Funkhaus haben sich in den letzten Monaten einen Teil des Terrains zurückerobert. Die Regionalisierung einerseits und die Entscheidung der politischen Gremien haben dazu geführt, daß dem SFB bei den künftigen Überlegungen zur Gestaltung der öffentlich -rechtlichen Medien im vereinten Berlin die entscheidende Rolle zukommt.