Ängstliche Reaktionen auf Lochte-Vorschlag

■ Forderung des Hamburger VS-Chefs auf Zusammenlegung der RAF-Gefangenen vorerst nur intern diskutiert

Aus Berlin Gerd Rosenkranz

Vorsichtiges Abwarten auf allen Seiten kennzeichnet die Reaktionen auf den Vorstoß des Hamburger Verfassungsschutzes (VS) zur Zusammenlegung der RAF-Gefangenen. Der Chef des Hamburger Amtes, Christian Lochte, hatte im taz-Gespräch (siehe taz vom 18.September) vorgeschlagen, die Gefangenen in Gruppen von bis zu acht Personen zusammenzubringen, um auf diese Weise eine möglichst freie politische Kommunikation zu ermöglichen. Lochte glaubt, unter diesen Bedingungen werde es rasch zu einer „politischen Fraktionierung“ der Gefangenengruppe und damit auch zu einer Schwächung der RAF kommen.

Insbesondere die Justizminister der Länder, die den Vorschlag letztlich umsetzen müßten, geben sich schweigsam. Vor allem an ihnen war eine ähnliche Initiative des Verfassungsschutzes während des letzten Hungerstreiks im vergangenen Jahr gescheitert. In unionsregierten Ländern hieß es gestern gleichlautend: „Kein Kommentar.“ Ein Sprecher des Düsseldorfer Justizministers Krumsiek (SPD) meinte, es sei „jetzt nicht die Phase, wo wir Erklärungen abgeben“. Mit Blick auf die nach dem Hungerstreik in Köln -Ossendorf eingerichtete Gruppe von vier Frauen sagte er, ein gewisses Maß an „Normalität“ sei erreicht, sie dürfe durch öffentliche Äußerungen nicht in Frage gestellt werden.

Ähnlich die Reaktion in Schleswig-Holstein, wo ebenfalls vier Frauen im Lübecker Knast zusammen sind. Es gebe kleine Fortschritte bei der Integration der Frauen in den Normalvollzug, sagte die persönliche Referentin von Justizminister Klaus Klingner (SPD). Im Prinzip verfolge Lochte die gleiche Linie wie die Landesregierung in Kiel.

Das Bundesjustizministerium, dessen Staatssekretär Kinkel während des Hungerstreiks als Vermittler aufgetreten war, verweist unterdessen auf die Zuständigkeit der Länder. Man werde sich da nicht noch einmal so „mächtig reinhängen“ wie im vergangenen Jahr, meinte Sprecher Jürgen Schmid.

Das taz-Interview war auch Diskussionsgegenstand bei einem Treffen der RAF-Anwälte am vergangenen Samstag. Der Hannoveraner Anwalt Dieter Adler, der unter anderem den Gefangenensprecher während des Hungerstreiks, Helmut Pohl, vertritt, meinte: „Der Verfassungsschutz allein ist nichts.“ Die Erfahrungen während des Hungerstreiks hätten gezeigt, daß es wenig nutze, wenn der Verfassungsschutz vorpresche, bei der Politik aber keinerlei Rückendeckung finde. Die „Umsetzung“ werde eben woanders entschieden.

Adler wollte nicht bestreiten, daß sich die Interessen der Gefangenen und des Verfassungsschutzes auf Grund unterschiedlicher Erwartungen „am Punkt der Zusammenlegung“ träfen. Faktisch würden allerdings die Haftbedingungen zur Zeit eher verschärft. Beispielsweise sei Brigitte Mohnhaupt bereits vor zwei Monaten aus Aichach nach Stuttgart -Stammheim verlegt worden, berichtete Adler. Die ebenfalls in Aichach einsitzenden Manuela Happe und Claudia Wannersdorfer seien gleichzeitig voneinander isoliert worden.

Offiziell war die Mohnhaupt-Verlegung mit Umbaumaßnahmen im Aichacher Knast begründet worden. Gegenüber der 'Welt‘ erklärte die Bundesanwaltschaft jetzt allerdings, die Haft für Mohnhaupt sei nach den Anschlägen auf Herrhausen und Neusel verschärft worden, weil sie als „wichtigste Kontaktperson der RAF-Häftlinge zum harten Kern der aktiven Terroristen“ gelte.

Moderat schweigsam äußerte sich gegenüber der taz ein Sprecher des neuen Generalbundesanwaltes Alexander von Stahl zu den Lochte-Vorstellungen: „Der Diskussionsprozeß“ im Hause sei „noch nicht abgeschlossen“. Und beim Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz möchte man das Interview erstmal „wirken lassen“ und keine weiteren Erklärungen abgeben.

Richtig optimistisch gab sich gestern Lochte selbst. Er will das Thema beim nächsten Treffen der Verfassungsschutzchefs von Bund und Ländern auf die Tagesordnung setzen. Ziel sei es, den politisch Verantwortlichen schließlich entsprechende Vorschläge des VS zu unterbreiten. Lochte, der sich der Rückendeckung durch den Präsidenten des Kölner Bundesamtes, Gerhard Boeden, sicher ist: „Da kommt etwas in Gang.“