„Entweder wir arbeiten schnell oder gut“

■ Gohlke scheiterte bei dem Versuch, den Ausverkauf der DDR-Betriebe unter Wert zu verhindern / Unterschiedliche Auffassungen über das Vorgehen der Treuhandanstalt / Westunternehmer sauer

Die beiden sozialdemokratischen Spitzenmanager Reiner Gohlke und Detlev Rohwedder waren sich zu Beginn ihrer Arbeit bei der Treuhand einig: Kurzfristig gelte es, Betriebe und Arbeitsplätze durch Überbrückungskredite zu erhalten, um dann so schnell wie möglich zu Entscheidungen über die Zukunft der 8.000 Treuhand-eigenen DDR-Betriebe zu kommen. Aber in der konkreten Arbeit traten sehr schnell Differenzen zwischen dem Verwaltungsratsvorsitzenden Rohwedder und dem Präsidenten Gohlke zutage. Pressesprecher Wolf Schöde sprach nebulös von „unterschiedlichen Auffassungen“ zwischen Gohlke und „Mitgliedern des Verwaltungsrates über die Erfüllung der Aufgaben der Treuhandanstalt und die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Verwaltungsrat“. Differenzen gab es von Anfang an.

Die Konflikte entluden sich bei Einzelentscheidungen über Kooperationen bzw. Übernahmen von DDR-Firmen durch bundesdeutsche Unternehmen:

-Die Steigenberger-Hotelkette hatte im Frühsommer erklärt, sie wolle sämtliche DDR-Interhotels übernehmen. Die Verhandlungen gestalteten sich dann allerdings schwieriger als erwartet. Die Steigenberger-Anwälte vermuteten Bremser bei der Treuhand.

-Die bereits fertig ausgehandelte Übernahme der DDR-Firma Rüdersdorfer Zement GmbH durch die Hamburger Alsen -Breitenburg Zement- und Kalkwerke GmbH scheiterte in der letzten Woche am Widerstand der Treuhand. Den Zuschlag erhielt dagegen die Ratinger Readymix-Gruppe - ein Umstand, der Hoesch-Chef Rohwedder hinter vorgehaltener Hand den Vorwurf eintrug, er entscheide nicht nach wirtschaftlicher Vernunft, sondern nach eigenen Interessen. Denn Readymix betreibt mit dem Dortmunder Stahlkonzern zusammen ein Zementwerk in der Ruhrmetropole. Das von Alsen angerufene Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte gab den Hamburgern recht und untersagte vorerst den Verkauf bis zur Klärung des Vorgangs.

-Auch der Wiesbadener Kühlmittelspezialist Linde AG fühlt sich von der Treuhand ausgebootet. Sie wollte mit der Ostberliner Tega (Technische Gasewerke GmbH) ein Joint -venture eingehen und hatte nach Angaben von Firmensprechern schon kräftig in dem Werk investiert. Aber die Treuhand brachte während der Verhandlungen noch die französische Konkurrenzfirma L'Air Liquide als weiteren Interessenten ins Spiel. Ein Vertragsabschluß steht noch aus.

Das Treuhand-Management begründet seine Strategie mit der vielbeschworenen Gefahr des Ausverkaufs. Kurz nach seinem Amtsantritt hat Gohlke auch die kurz vor dem Abschluß stehenden Verkaufsverhandlungen wieder aufgerollt, neue Wertgutachten gefordert und weitere potentielle Interessenten im In- und Ausland anschreiben lassen - sehr zum Ärger der westlichen Interessenten, die ihre Beute schon unter Dach und Fach glaubten. Zu Schleuderpreisen unter Wert sollte nur das „Tafelsilber“ der DDR-Wirtschaft nicht über den Tisch gehen, hieß es bei der Treuhand.

Gohlke selbst, so bemängelt Rohwedder jetzt, habe sich zu sehr in einzelne Verkaufsverhandlungen eingeklinkt, um einen Ausverkauf zu verhindern. Dabei hatte der Verwaltungsratsvorsitzende selbst zu Beginn die Alternative formuliert: „Entweder wir arbeiten schnell, oder wir arbeiten gut.“ Gohlke wollte gut arbeiten, obwohl es die Zeit dafür nicht gibt. Jetzt kann Rohwedder sich selbst versuchen.

marke