Sozialstationen: Qualität vor Quantität

■ Alternative Liste und Sozialdemokraten stellen Sozialstationengesetz vor / Qualifizierte Pflege soll Vorrang haben / Drei Millionen Mark für weitere neun Sozialstationen / Auch die ÖTV ist zufrieden

West-Berlin. Mit einem Sozialstationengesetz wollen SPD und AL die Gesundheitsversorgung in Berlin auf eine sichere Grundlage stellen. Ziel des Entwurfs, den die gesundheitspolitischen Sprecher Reinhard Roß (SPD) und Gisela Wirths (AL) gestern vorstellten, ist es, das Sozialstationenangebot „sinnvoll der Nachfrage anzupassen“ und die „Qualität der Versorgung zu sichern“.

Anstoß für diese Gesetzesinitiative gab die zunehmende Bedeutung von Sozialstationen bei der Betreuung pflegebedürftiger Menschen. So hat sich die Zahl der Sozialstationen seit 1982 von 42 auf 72 erhöht, 2.400 Pflegekräfte leisten im Jahr rund zwei Millionen Einsätze. Dennoch unterscheiden sich laut Wirths die bestehenden Sozialstationen erheblich in ihren qualitativen Leistungen. Der Gesetzentwurf beinhaltet deshalb einen „Sicherstellungsauftrag“, der sowohl Prävention und Rehabilitation festlegt wie auch einen ausreichenden Pflegedienst rund um die Uhr. In allen Bereichen soll ausreichend ausgebildetes Personal tätig sein. Zur Sicherstellung einer qualifizierten Pflege müssen die jeweiligen Träger für die regelmäßige Fort- und Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen sorgen. Durch die Pflegedienstleitung soll die Pflegeplanung und Dokumentation genauso gewährleistet sein wie Erstbesuche bereits im Krankenhaus. Unterstützt wird dies durch eine vorgesehene Änderung des Landeskrankenhausgesetzes. Das verpflichtet die Kliniken künftig, Patienten über die Möglichkeit der ambulanten Betreuung zu unterrichten und bei Bedarf zu vermitteln. Eine Vorschußkasse soll außerdem im Falle notwendiger Pflegeeinsätze bei ungeklärter Kostenträgerschaft die Leistungen vorab übernehmen.

Für weitere neun Sozialstationen wurden bereits für das Haushaltsjahr 1991 zusätzliche Mittel in Höhe von knapp drei Millionen Mark veranschlagt. Roß dagegen schlug gestern vor, die bestehende Zahl zu belassen und statt dessen deren Qualität zu verbessern. Nicht einberechnet sind dabei die Kosten für Sozialstationen in Ost-Berlin.

Die einzelnen Wohlfahrtsverbände konnten gestern keine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf abgeben, die Arbeiterwohlfahrt will sich dafür sogar noch bis nach der Sommerpause Zeit lassen. Die ÖTV sieht immerhin ihre wesentlichen Forderungen „weitgehend“ aufgenommen. Marita Hungermann, Berliner Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Krankenpflege, geht der Entwurf an zwei Punkten nicht weit genug: So müsse einerseits dringend in Berlin eine zweijährige Weiterbildung für Gemeindeschwestern etabliert werden - in Westdeutschland gibt es sie bereits andererseits sollten die medizinischen Dienste der Krankenkassen nicht Ärzte, sondern Pflegekräfte damit beauftragen, die Pflegebedürftigkeit eines Patienten zu beurteilen.

maz