Überleben in Hollywood

■ Gespräch mit Christopher Lee, dem Genforscher Dr. Catheter in „Gremlins II“

taz: Müssen Schauspieler miteinander konkurrieren?

Christopher Lee: Wer nicht mit Wettbewerb umgehen kann, sollte nicht Schauspieler werden. Es gibt sogar große Stars, die keine guten Schauspieler neben sich dulden, weil sie Angst haben, daß diese besser sind als sie selbst.

Ein Schauspieler kann einem anderen die Schau stehlen.

Im Theater geht das, wenn man sich zum Beispiel beim Dialog hinter den Partner stellt. Dann muß der den Kopf vom Publikum abwenden. Im Kino geht das nicht, man würde die Szene wiederholen. Da gibt es andere Methoden. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem fast alle Close-ups von mir herausgeschnitten waren. Nahaufnahmen gab es nur von meinem Partner.

Haben Schauspieler die Macht, auf den Endschnitt Einfluß zu nehmen?

Manche Stars haben die Möglichkeit. Sie haben zuviel Macht. Überall können sie hineinreden, weil sie soviel Geld verdienen. Sie können Regisseure feuern, reden bei der Besetzung mit oder verlangen Änderungen im Drehbuch.

Der Grund für ihre Macht ist, daß sie soviel Geld verdienen? Ist es nicht eher umgekehrt?

Das funktioniert nicht logisch. Man gibt den Leuten viel Geld und hält es im nächsten Augenblick für den Beweis ihrer Fähigkeit. Wenn ich eine Million Dollar verdiene und Sie zwei, dann kriegen Sie die Rolle. Sie verdienen mehr, also müssen sie besser sein. Wenn alle Produzenten sich darauf einigen würden, keinem Schauspieler mehr als 500.000 Dollar zu zahlen, wäre das sehr viel besser für die Filmindustrie. Das Risiko würde sinken, und die Filme würden besser.

Wie erklären Sie sich die ständig steigenden Honorare?

Nehmen wir an, niemand würde mich kennen, ich wäre ein schlechter Schauspieler und 'Variety‘ oder 'Hollywood Reporter‘ würde mich als den beliebtesten Schauspieler nennen, den sie bei einer Umfrage ermittelt haben. Das könnte alles erfunden sein, aber am nächsten Tag wäre mein Honorar auf fünf Millionen gestiegen. Jeder wollte mich haben. So ist auch die Geschichte entstanden, daß Sean Connery das männliche Sexsymbol unserer Tage sei. Ich bin sicher, daß er das sehr peinlich findet.

Was ist ein schlechter Regisseur?

Ein Regisseur, der am ersten Tag ankommt und sagt: Zeigen Sie mir, was Sie machen wollen, wie Sie die Rolle verstehen. Ich will vom Regisseur hören, was er will, wie er die Szene versteht. William Wyler, ein berühmter und guter Regisseur, hat so gearbeitet. Er wußte absolut nicht, was er wollte. Er nahm zwanzig bis vierzig Takes auf und entschied sich dann, was er haben wollte. Es konnte Nummer 35 sein oder Nummer drei.

Das wäre heute aus Kostengründen nicht mehr möglich.

Heute läuft ständig jemand mit der Stoppuhr durchs Studio, immer in Sorge um den Terminplan.

Mischen sich die Produzenten in den Drehplan ein?

Ein guter Produzent nicht. Wenn die Dreharbeiten beginnen, ist dessen Arbeit getan. Der Produzent, der versucht, mit Regie zu führen, stiftet nur Unruhe. Sein Job ist es, im Büro zu sitzen. Manchmal mischen sich Produzenten ein, weil sie selbst unter Druck stehen. Irgendein Oberchef fragt: Was passiert eigentlich im Studio 20? Wie geht es voran? Antwort: Sie sind ein paar Tage in Verzug. Waaas? Und er marschiert ins Studio und macht Wirbel. Er weiß nicht mal, was für ein Film dort gemacht wird. Diese Leute sehen nicht die Tagesproduktion, und sie sehen häufig nicht mal den fertigen Film.

Weshalb hat sich das Filmgeschäft in diese Richtung entwickelt?

Es spielt heute so viel mehr Geld mit. Daher spielen Gier und Angst eine immer größere Rolle. Interessanterweise gibt es heute viele Leute in entscheidenden Positionen, die überhaupt nicht wissen, was sie da machen. Nach ein paar Jahren werden sie gefeuert und kriegen einen besseren Job bei einer anderen Firma. Was tut ein neuer Boß einer, sagen wir: Fernsehgesellschaft?

Er schaut die laufenden Produktionen an?

Nein, er hält Ausschau nach dem nächsten Job.

Wie war Ihr Leben in Hollywood?

Hollywood ist nicht der Ort, an dem man lebt, man überlebt. In Europa läßt man das Berufsleben hinter sich, wenn man das Studio verläßt. In Hollywood redet man dann immer noch weiter von Showgeschäft und Geld. Das schlimmste ist dieser allgegenwärtige Geruch von Angst. Angst, den Job zu verlieren, oder Angst, irgendeinen Fehler zu machen. Ich habe einmal einen berühmten Regisseur, einen guten Freund von mir, im Studio besucht. Er hatte drei Sekretärinnen. Als ich den Raum betrat, fragte die erste: Ja? Die zweite fragte: Haben Sie einen Termin? Die dritte: Worum geht es? Wie heißen Sie, was machen Sie? Dann meinten sie, er sei nicht da. Sie wollten, daß ich wieder gehe, aber ich wartete. Fünf Minuten später kommt mein Freund, hocherfreut umarmt er mich. Wir gehen in sein Büro, er sagt zu seinen Sekretärinnen: Keine Anrufe durchstellen. Nach einer Weile kommen wir scherzend wieder aus seinem Büro, er hat seinen Arm um mich gelegt. Die erste sagt: Mr.Lee, ich bin ein großer Fan von Ihnen. Die zweite: Ich habe so viele Ihrer Filme gesehen, und auch die dritte war plötzlich ein großer Fan von mir.

Das Gespräch führte Gunter Göckenjan