Anarchistische Giftzwerge

 ■ „Gremlins 2“ - Joe Dantes Inferno

Von Karl Wegmann

Der alte Chinese Mr. Wing darf am Ende einen philosophisch -ökologischen Spruch aufsagen: „Eine Gesellschaft ohne Verantwortungsbewußtsein ist eine Gesellschaft ohne Hoffnung. Ihr seid noch nicht reif für den Mogwai“. Er meinte damit den knuddeligen Gizmo, eine Mischung aus Hamster und Teddybär, der bei unsachgemäßer Behandlung ein paar Blüten treibt, aus denen dann die Gremlins entstehen: kleine Monster. Mr. Wing irrte. Nach dem enormen Erfolg der Gremlins war das Publikum reif für Teil Zwei. Zur Strafe für seine Fehleinschätzung muß der weise Mann gleich zu Anfang von Gremlins 2 ins Gras beißen.

Im Herbst 1981 - Steven Spielberg bereitete gerade die Uraufführung von E.T. vor - fiel dem Regisseur und Produzenten ein Drehbuchentwurf des Autors Chris Columbus in die Hände. Gremlins nannte sich die Geschichte, die von der Familie Peltzer und ihrem neuen, ebenso kuscheligen wie gefährlichen Haustier erzählt. Spielberg war begeistert, hatte aber keine Lust, „schon wieder einen Film zu drehen, in dem kleine Geschöpfe lächeln, wenn du an irgendeinem Kabel ziehst.“ Er erwarb die Rechte an der Story und engagierte als Regisseur den ehemaligen Cartoon-Zeichner Joe Dante, der mit Piranhas und Das Tier bewiesen hatte, daß er geschickt mit den Trickmitteln des phantastischen Films umgehen konnte. Der bewies gleich die richtige Einstellung zu dem Projekt: „Um zu vermeiden, daß das Publikum bei dieser Art von bizarren Geschichten die falschen Fragen nach Logik und Sinn stellt, muß man den Filmen eine traumähnliche surreale Atmosphäre geben.“ Für die Special-Effects wurde Chris Walas (Die Fliege) verpflichtet. Er und ein Team von mehr als 40 FX-Experten gingen mit Witz und Phantasie zu Werke und schufen in monatelanger Arbeit die Monster-Meute, die mit ihrem rüden Anarcho-Humor die beschauliche Kleinstadt Kingston Falls verwüsten.

Leider haben Spielberg und Dante versucht, mit der Fortsetzung der verrückten Geschichte sich selbst zu übertreffen. Von allem gibt es etwas mehr, nur von der Geschichte ist fast nichts zu entdecken: Der Mogwai lebt wieder in New York. Alles scheint in bester Ordnung. Doch dann kommt Gizmo wieder mit Wasser in Berührung. Vier neue Mogwai-Klone werden geboren, die über Nacht in ausgewachsene Gremlins mutieren. Die frechen Viecher nisten sich in einen High-Tech-Wolkenkratzer ein, vermehren sich ständig und verwandeln das ganze Gebäude in ein Tollhaus.

Der erste Teil ist eine gelungene Mischung aus Horror und Komödie. Der zweite Teil ist nur noch Klamauk. Der Zuschauer ertrinkt in einem Meer aus visuellen Effekten. Alles ist schneller, schriller, bunter und lauter. Es reiht sich Trick an Trick. Allein die „Creature Crew“ bestand aus 75 FX -Spezialisten, die mehr als tausend der kleinen Monster bauten und agieren ließen. Dieses unübersichtliche Special -Effect-Feuerwerk ist vielleicht der Grund, daß der Film in den USA nur mit mäßigem Erfolg lief. Man hat einfach keine Zeit, die guten Gags, an denen es nicht mangelt, zu genießen. Gleich wird man von einem Dutzend schwächerer überfahren.

Übrigens ist eine Sequenz aus der ersten Drehbuchfassung zum Original, die damals gestrichen wurde, auch im zweiten Teil nicht zu sehen. In dieser Szene landen die Helden des Films in einem McDonald's-Restaurant und stellen entsetzt fest, daß alle Kunden von den Gremlins gefressen wurden. Aber die Hamburger sind alle noch da.

Joe Dante: Gremlins 2, mit Zach Galligan, Phoebe Cates, Christopher Lee u.a.; USA 1990, 95 Min.