Trostlose Kulisse

■ Nur 2.771 DDR-Bürger sind für die EG reif

PRESS-SCHLAG

Der DDR-Bürger ist ein undankbarer Mensch. Da öffnet man ihm großzügig die Tür zum europäischen Haus, und der DDR-Bürger rührt sich nicht. Nicht die Bohne interessiert ihn die großzügige und zutiefst menschliche Offerte. Beweis? In den 'EG-Nachrichten‘ findet sich das Ergebnis einer Umfrage unter uns Bürgern der Europäischen Gemeinschaft. Ergebnis: 56 Prozent halten Fußball für die schärfste aller Sportarten. Brav! Am Mittwoch abend indes, im Dresdener Rudolf-Harbig-Stadion war's, verweigerte sich der DDR -Bürger. Die einmalige Chance, dem Supercup der deutschen Pokalsieger beizuwohnen, ließen sich nur 2.771 Bürger nicht entgehen. Schande!

Zwei wirklich interessante Mannschaften aus Dresden und Kaiserslautern zeigten da ihre Kunststücke, eine Hamburger Brauerei lieh der Veranstaltung Geld und Namen und die Sender Sat 1 und DFF strahlten bis in den entlegensten Winkel des gesamtdeutschen Territoriums. 2.771 - und nachher wird wieder geheult und mit den Zähnen geklappert, daß nur zwei Ostklubs im kommenden Jahr in die Bundesliga dürfen. Ha!

Mit den Ausreden sind sie ja fix. Die 15 D-Mark wären zu viel gewesen. Früher hätte ein Spiel Dynamo Dresden gegen Fortschritt Soundso 80 Ostpfennig gekostet. Man bräuchte die Groschen heute um Persil und Coke zu kaufen. Ha!

Dabei ist es richtig hübsch im Stadion. Wo früher bestenfall Pappe gammelte mit „Interplan“ oder einfach „Erdnüsse“, helfen jetzt bunte Schilder bei der Konsumorientierung, gibt es in der Halbzeitpause richtig was zu lesen auf der Bande. Und? Interessiert kein Schwein ('tschuldigung, ihr 2.771 Aufrechten)! Denen zu Hause wurde wenigstens der Marsch geblasen, vom Kommentatorenduo Gottfried Weise und Christoph Daum. „Rassige Duelle“ (Weise) hätten sie live zu sehen gekriegt und einen „sogenannten Hüftdrehstoß“ (Daum), wenn sie... Ja, wenn!

Klagte Kalli Feldkamp, es sein je eh schon schwer, zwischen zwei Bundesligaspielen die Motivation zu finden für den Supercup der Deutschen, aber dann vor so einer trostlosen Kulisse... Volles Verständnis für Kalli, kein Verständnis für den DDR-Bürger! Weil es zwar ein kotzlangweiliges Spiel war, trotz Elfmeterschießen, aber das konnte doch vorher niemand wissen.

Die Europäische Gemeinschaft fordert Opfer. Wir essen Tomaten, die nach nichts schmecken, wir pfeifen auf das Reinheitsgebot beim Bier, und wir lassen die ödesten Fußballspiele über uns ergehen. Und hinterher schreien 56 Prozent: Toll! Kein Murren und kein Klagen kommt über unsere Lippen.

Ach, DDR-Bürger, du mußt noch viel lernen.

-thöm