Halali im heiligen Krieg

■ Mit Moral und sehr viel Geld gegen den idealen Feind

EUROFACETTEN

Heute, liebe MenschInnen, wollen wir uns einmal satt empören. Dazu setzten wir uns einen goldenen Schuß Moral, dann bekommen wir etwas Schaum vor den Mund, und dann sind wir edel. Jetzt fehlt uns nur der gegebene Anlaß, ein wirklich konsensfähiger. Der Dieb von Bagdad vielleicht? Nein, lieber nicht, obwohl selbst die ARD die bundesrepublikanischen Lieferungen dorthin „menschenverachtend“ nannte, denn wir wollen ja nicht daß uns der Haussmann schon wieder die Ideale der freien Marktwirtschaft predigt. Auch nicht das volkskammerliche Schlafbedürfnis, denn wir wollen nicht darüber grübeln, warum diese Typen auch zu Hause nicht erreichbar waren. Nein, wir brauchen etwas für überall und jederzeit, etwas, das noch schlimmer ist als der Kommunismus, und da haben wir nur eines, richtig?

Also sagen wir jetzt alle schön und laut: Drogen. Luftholen und noch einmal: Drogen. So. Jetzt sind wir uns einig, so einfach geht das. Sagt da wer, daß es sich bei diesem schönen Wort um verschiedene Substanzen handle? Üble Verharmlosung, wir kennen doch die Bilder von den Leichen mit dem Joint in der Vene, außerdem wollen wir nicht differenzieren, wir wollen Drogen. Und wir wollen sie welt- oder wenigstens europaweit, nach unseren deutschen Maßstäben, denn wir sind ja auch wer in der EG. Zumindest einmal gefälligst respektieren. Am deutschen Wesen soll doch wieder einmal, also bei Drogen wohlverstanden, wo doch nun auch auf die ehemalige DDR Grundgesetz, Aids und Drogen zukommen.

Was sagt der Nörgler da hinten? Drogen seien eine politische Marginalie? Das kann ja sein. Es ist ja auch nicht nötig, sich da Sachverstand anzutun. Es reicht, daß man sich empört und was dagegen tut. Deshalb gönnen wir dem bayrischen LKA seine neuen Motorräder, weil doch auch die Dealer immer schneller werden und die hat der ins Archiv entsandte 'Spiegel'-Sonderberichterstatter als neuen Staatsfeind ausgemacht. „Kapituliert der Staat?“ mußten wir lesen. Nein, nein. Keinesfalls und erst recht nicht bei Drogen. Unser Kanzler läßt trotz galoppierender Einheit gerade über den 575.734. Drogenbekämpfungsplan grübeln. Und unser Bundesdrogenbeauftragter hat gesagt: „Die deutsche Drogenpolitik hat sich in ihren Ansätzen bewährt.“ Also muß sie sich nur noch bewährener.

Immerhin ist das BKA stolz darauf, insgesamt und maximal fünf Prozent aller Drogen abzugreifen und wenn wir seinen Etat verhundertfachen werden vielleicht 5,1 daraus. In den USA haben sie schon längst den totalen Krieg gegen Drogen und in Los Angeles bekommt man mittlerweile Koks für denselben Preis, für den man es auch legal bei Merck beziehen könnte. Will da wer sagen, daß Prohibitionspolitik stets gescheitert ist? Und wenn dem auch so wäre, bei Drogen ist alles anders. Da werden wir und sei's in Millionen Jahren, doch einmal Erfolg haben, denn Drogen vernebeln den Verstand. So sind wir nun einmal.

Hans Georg Behr

Der Autor ist freier Journalist. Von ihm stammt das Buch: Weltmacht Droge