Agonie und Exitus

■ Das Personenkarussell dreht sich leider nur in der DDR

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Berlin (taz) - Auch Detlev Rohwedder, der neue Chef der Treuhandanstalt, ist kein Garant für Kontinuität. Zum Ende des Jahres oder Anfang 1991 will er sich von der eigentlichen Arbeit im Ostberliner Haus der Elektrotechnik wieder nach Dortmund in den Hoesch-Konzern zurückziehen. Bis dahin muß ein neuer, dritter Präsident her. Für die an- und alsbald wieder abbrechende Ära Rohwedder gibt es nur zwei Optionen: Schnelligkeit oder Sorgfalt. Beides gemeinsam geht nicht.

Die erste ist, jenseits allen Wortgeklingels, bedeutet einen kurzfristiger Prioritätenwechsel vom bisherigen (1) Sanieren, (2) Privatisieren, (3) Schließen hin zu (1) Schließen, (2) Schließen, (3) Privatisieren. Es wäre die Variante des brachialen Vorgehens, die in Bonn schon unter dem Begriff „Ende mit Schrecken“ diskutiert wird. Nur: damit begänne der Schrecken für die BürgerInnen der Noch-DDR überhaupt erst; dann wird das Gespenst der Massenarbeitslosigkeit zur endgültigen Realität. Die Milliarden, die sonst die Treuhand als Liquiditätshilfen vergab, werden aus dem Haushalt der Arbeitsverwaltungen bezahlt. Von einem Ausverkauf der DDR wird in einem solchen Fall kaum noch die Rede sein dürfen, sondern nur noch von einem Totalkonkurs. Die zweite Option ist ein längerfristig angelegtes Konzept, dessen Ernte nicht Rohwedder, sondern sein Nachfolger einführe. Von Sanierungsversuchen dürfte hier wohl die Rede sein. Das Argument, dies käme zu teuer, ist nur bedingt richtig. Wiederum gilt: Ob die Milliarden nun via Treuhand oder Arbeitsamt in die DDR fließen, ist recht gleichgültig. Es herrscht Agonie in der Wirtschaft der DDR, und im Prinzip mag sich niemand mehr recht vorstellen, daß die Treuhand den Exitus abwendet. Immerhin ist es für die Beschäftigten noch ein Unterschied, woher das Geld kommt - das Arbeitsamt zahlt weniger als der Betrieb.

Nun wird also Detlev Rohwedders Name für den Massenbankrott stehen; Zyniker mögen seine angekündigte Amtsperiode von sechs Monaten als den Zeitraum betrachten, in dem die übergroße Zahl der 8.000 Betriebe endlich geschlossen wird. Darauf, an der Spitze der Treuhand ein Kollegialorgan zu bilden und im Trio oder Quartett die Probleme anzugehen, gibt es derzeit keine Hinweise.

Im übrigen dürfte der Fundus aus bundesdeutschen Managern, die sich eine solche Aufgabe zutrauen, auch bald erschöpft sein. Die Wahl von Jens Odewald, dem Vorstandsvorsitzenden der Kaufhof AG, zum Chef des beaufsichtigenden Verwaltungsrats der Treuhand deutet darauf hin. Nicht, daß sich Odewald nicht auch als Konzernsanierer einen Namen gemacht hätte, aber daß er Rohwedder auf die Finger schaut, ist nur schwer vorstellbar.

Im Regen steht der neue Treuhandchef auch durch die Politik. Wie das Kaninchen auf die Schlange starrt die Bundesregierung auf den Wahltermin; wirkliche und damit teure Strukturkonzepte für Ostdeutschland sind derzeit nicht zu erwarten.

DDR-Finanzminister Romberg gefeuert, DDR -Wirtschaftsminister Pohl resigniert, Treuhandchef Gohlke zurückgetreten, der einst so vorlaute CDU-Politiker Diepgen auf Tauchstation - alle die, die unmittelbar mit der Realität der DDR-Wirtschaft konfrontiert sind, sind aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr im Amt. Nur Bundeswirtschaftsminister Haussmann gibt unverdrossen und Tag für Tag seine dümmlichen Tips ab, doch ab sofort dürfen Wetten abgegeben werden, wer im Falle eines CDU-Wahlsieges sein Nachfolger wird.

Bewundernswert ist nur eins: Die Fähigkeit der Christlich -Liberalen in Bonn, die Verzweiflung in der DDR in Hoffnung umzumünzen. Erst hieß es, mit den Volkskammerwahlen im März werde alles gut, dann sollte es die Währungsunion im Juli sein. Derzeit ist es der Anschluß im Oktober, und danach ist ist es der Wahltag im Dezember. Und dann?

Dietmar Bartz