Wenn Saddam Hussein spricht

■ Ausstrahlung gleichzeitig in aller Welt durch Nachrichtenkanal CNN / Erstmals in einer Krisensituation gezielt eingesetzt / Mittel der Verständigung oder der Konfrontation?

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Immer wenn Saddam Hussein oder einer seiner Sprecher in diesen Tagen eine Rede im Fernsehen hält, ist diese nicht nur und oft erst in zweiter Linie für das irakische Publikum bestimmt. Das zeigt schon die gleich im Studio in Bagdad mitproduzierte englische Übersetzung und Untertitelung. Die Ansprachen erreichen gleichzeitig Millionen Menschen in aller Welt, darunter die entscheidenden PolitikerInnen von Washington bis London und Moskau.

Erstmals in einer weltweiten Krisensituation wird das Medium Nachrichtenkanal von einer Regierung, der irakischen nämlich, ganz gezielt eingesetzt. Für die Direktübertragungen steht der US-Fernsehkanal CNN, der rund um die Uhr ein Nachrichtenprogramm per Satellit ausstrahlt. Ein überwiegender Teil der 24 Stunden täglich wird mit Direktübertragungen gefüllt. Hierbei stützt sich CNN nicht nur auf ein eigenes KorrespondentInnennetz, sondern auch auf Verträge mit den meisten TV-Gesellschaften, deren Programm direkt übernommen werden kann.

55 Millionen Haushalte können den Kanal derzeit in den USA empfangen, etwa sieben Millionen in Europa. Die CNN -Sendungen werden in vielen Regierungszentralen routinemäßig mitgeschnitten, eifrige StammseherInnen sollen neben Bush und Gorbatschow auch Fidel Castro, Yassir Arafat und Margret Thatcher sein. „Gerade in einer Situation wie jetzt wird offenbar, welch große Rolle ein solcher Nachrichtenkanal spielen kann“, urteilt Stig Hadenius, Journalistikprofessor in Stockholm: „Das, was auf nationaler Ebene schon lange üblich ist, nämlich Angebote, Drohungen, Verhandlungsvorschläge über ein öffentliches Medium dem Gegner zu übermitteln, wird erstmals in ausgedehnter Form in einem internationalen Konflikt versucht.“ Zwar richteten sich Saddam Husseins Botschaften auch an die arabische Welt, jedoch in erster Linie an den besonders mediengläubigen Westen.

Ob dies nun unbedingt positive Auswirkungen auf einen Krisenverlauf haben muß, bezweifelt der Friedens- und Konfliktforscher Peter Wallensteen (Universität Uppsala): „Mehr und schnellere direkte Informationen sind zwar grundsätzlich positiv. Aber gerade in einer Krisensituation können sie zu einer Eskalation des Konflikts führen.“ Wenn Präsident Bush wisse, daß seine WählerInnen ebenso wie er die Botschaften Saddam Husseins empfangen, könnte er sich zu rascheren, unüberlegteren Reaktionen verleiten lassen: „Ein kolossaler Handlungsdruck entsteht.“ Bisher sei es üblich gewesen, daß PolitikerInnen sich in Krisensituationen eher zurückgezogen, vor den Medien abgeschirmt hätten. Auf das neue Problem der „Über-Öffentlichkeit“ müßten sie sich daher sicher erst einstellen. Gefahren sieht Wallensteen aber auch durch die spezielle CNN-Dramaturgie: „Ich habe vor ein paar Stunden CNN gesehen. Erst Bilder aufgeregter arabischer Pro -Hussein-Demonstranten, danach eine Umschaltung in eine US -Militärbasis mit an Waffen übenden Soldaten. Solche Bilder signalisieren Feindschaft, Konfrontation, können dazu beitragen, die öffentliche Meinung gefährlich anzuheizen.“