Weltpolitische Spielereien

■ Wie Saddam Hussein Deutsche und Japaner ein Stück Machtpragmatismus lehrt

Deutsche und Japaner plagen in diesen Tagen die gleichen politischen Identitätsprobleme. Gerade noch galten die alten Kriegsverlierer in Europa und Fernost als die eigentlichen Sieger in der internationalen Neuordnung nach dem Kalten Krieg. Auslandsinvestitionen, so lautete die Prämisse, sichern in Zukunft mehr Einfluß als im Ausland stationierte Soldaten - und auf diesem Gebiet liegen Deutsche und Japaner weltweit vorn. Doch nun sind viele dieser schnellgeborenen Weltmachtträume für eine marktwirtschaftlich-zivilisierte Welt über Nacht im Wüstensand zerstoben. Gegen Saddam Hussein stehen Deutsche und Japaner wieder im Geleit der USA.

Hatten wir uns nicht gerade mehr vorgenommen? „Wie gehen wir mit der neuen Rolle Deutschlands als Weltmacht um?“ hatte Antje Vollmer - Husseins Panzer standen bereits in Kuwait-Stadt - vom linken Rand deutscher Politik vor wenigen Tagen gefragt. In Japan kam die gleiche Frage nur vom rechten Rand der Politik. Shintaro Ishihara, ein „Schönhuber“ im feinen japanischen Stil, analysierte im Zuge der Kuwait-Krise: „Es sieht so aus, als ob Japan den USA helfe, ihre politische Weltmachtrolle zu festigen, und zwar mit japanischem Geld.“ Ishihara legt in dieser Stellungnahme wie auch in seinen sonstigen Reden nahe, daß sich mit japanischen Geld - würde man es nicht den USA zur Verfügung stellen - eigene Weltmachtpolitik betreiben ließe.

Zugegeben, der ebenso radikale wie geistesschnelle Nationalist Shintaro Ishihara hat mit der gestandenen Feministin Antje Vollmer nicht viel gemeinsam - nur eine Kleinigkeit eben, die aber schwer wiegt. Diese Kleinigkeit liegt in einer für Deutsche und Japaner gleichermaßen verführerischen politischen Phantasie. Vollmer und Ishihara dichten etwas herbei, was es nicht - zumindest noch nicht gibt. Noch haben Deutschland oder Japan keine Weltmachtrolle. Zumindest dafür müssen wir Saddam Hussein dankbar sein, daß er uns das vor Augen führt.

Denn wie anders hat man je die Stärke einer jeglichen Staatsmacht ermitteln können als durch die Frage nach der Fähigkeit eines Staates, sich im Krisenfall aus eigener Kraft zu behaupten. Wollen Deutsche und Japaner also lieber Weltmacht sein und mitmischen? Nur noch die japanischen Sozialisten, denen die Friedensverfassung Nippons zur politischen Identität verholfen hat, hegen grundsätzliche Bedenken. In Deutschland gibt es hier keine geschlossene Opposition mehr. Und doch zögern alle Protagonisten, das wahre Kind beim Namen zu nennen: Wer Weltmacht will, braucht militärischen Handlungsspielraum, auch heute noch. Wollen wir den wirklich?

Georg Blume