Stunde Null in Bremen?

■ Die Nachfolgerin des Musikfestes heißt „Internationale Herbstakademie“ / Beginn: 2.9.

Heurekasi möchte man denken, sie haben's gefunden, sie haben gelernt. Ein chamois-gelbes Heftchen mit mattzarten Silhouetten musizierender Musiker löst das Rätsel, ob es dieses Jahr ein Musikfest gibt. Es gibt keins, es gibt eins. Es heißt aber: „Interna

tionale Herbstakademie für Musik“ und blühte schon seit einiger Zeit als „Sommerakademie“ im Verborgenen. Das war zu früh. Erst jetzt hat das Pflänzchen, aber nun im Nu, das Licht der Öffentlichkeit erblickt in Form des Programmheftes. Und symbolisiert

nicht der entschlossene rote Strich unter dem Titel den Schlußstrich unter vergangene Querelen? Wir erinnern uns hell an die einmütige Kritikerschar des Musikfestes '89, an die chaotische Organisation, die unverantwortliche Finanzierung, die Unverankerung in der bremischen Kulturszene. Und nun geht's bereits los Ende nächster Woche und überzieht die freie Hansestadt für einen Monat mit einem beeindruckenden Viel-Klang. Kernstücke sind nun Meisterkurse für Alte Musik, Neue Musik, Jazz, Freie Improvisation von international hochwertigsten Musikern, die für Bremer und Hamburger Musikstudenten kostenlos sein sollen. NormalbremerInnen können in Meisterkonzerten auf ihre Kosten kommen. Nur diese Namen: Stephen Stubbs, John Potter (Alte Musik), James Blood Ulmer, Lindsay Cooper, Jasper van't Hof, Han Bennink (Jazz, freie Improvisation), Paul Badura-Skoda (Klavier), Karl Leister (Klarinette), Christoph Poppen (Violine), David Hickman (Trompete), Andreas Staier (Hammerflügel). Eine Sensation ist das Kommen Isang Yuns, der neben Hans-Joachim Hespos den Bereich der Neuen Musik und Improvisation vertritt. Eine Vertonbandelung also von der Frührenaissance bis ins Hier und Jetzt. Neuer Veranstalter: die Hochschule für Künste mit Rektor Waller, die ein Planungskomitee installierte mit Prof. Schmadtke (Jazz), Prof. Seibert (Klavier), Frau Prof. Grevesmühl (Violine), zwei Studenten und Prof. Albert (Alte Musik), ja, jener, der letztes Jahr als Organi

sator strandete.

Gespräch am Freitagmorgen in der HfK, Planungs-Männergruppe mit Frage-Journalistin. Erstmal freut man sich, es ist soweit, Herbstakademie gelungen. Patient Musikfest also tot? Ruhend. Wieso so klammheimlich? Nun ja. Jürgen Waller: „Die Erfahrung zeigt, daß man mit solchen Eiern nicht raus soll, bevor nicht alles niet-, nagel-und wasserfest ist“. Ist was faul? Nein, die Finanzierung mußte und sollte erst gesichert werden, etwa 300.000 DM. „Deputationsmittel“, sagt die bezahlende Kulturbehörde, also ordentlich abgesegnet, also wasserfest. Alle bestätigen wie geläutert die Zuschüttung vor kurzem noch offener Feindes-Gräben. Thomas Albert formuliert alert: „Wir sind in einer gewissen Stunde Null, und die müssen wir nutzen“. Stunde Null nach Kultursenator Franke soll das heißen. Und: Dies sei „der wichtigste Schritt überhaupt, daß sich aus dem Pärchen Musikfest '89 und Herbstakademie '90 die Stringenz einer Aufwärtsentwicklung für Musik im Lande logisch“ ergebe. Schade, kein Kind? Jedenfalls soll keine Klangwolke verrauschen, sondern Klangwölkchen hinterlassen mit einer Jazz-Big Band und einem barocken Orchester. Nie habe er kritisiert Musikfeste als solche, wortergreift Siebert, Ex -Musikfest-Gegner, es müsse nur eine Verwurzelung im städtischen kulturellen Leben geben. Und? „Die kriegt's jetzt ja!“ Claudia Kohlhas

Information/Anmeldung: Tel.: 30890-73, ab.1.9., oder Konzertbüro Lüthje: 53 24 49/53 26 41. Dem unübersichtlichen Programmheft soll ein Faltplan folgen.