Ohne Rücksicht auf Verluste

■ Keirin, das große Geschäft im japanischen Radsport

Maebashi (dpa) - 20.000 Zuschauer faßt der „Green Dome“, das mit einem Aufwand von drei Millionen Dollar gebaute Riesen-Radstadion in Maebashi, rund 150 Kilometer westlich von Tokio. Doch die erste Vergabe einer Radweltmeisterschaft nach Asien findet im Land der aufgehenden Sonnen nur wenig Interesse, manche Rennen wie beispielsweise das der Steher hinter Schrittmachermotoren stoßen sogar auf Unverständnis. Kein Wunder: Wenn es schon ums Rad geht, dann heißt für die Japaner das Zauberwort „Keirin“.

Hans Hindelang, der als deutscher Radprofi sieben Jahre lang in Japan Rennen dieser Art bestritt, beschreibt Keirin so: „Dick gepolstert mit Schulterpanzer, Knieschutz und Helm geht man an den Start. Und wenn dann der Schrittmacher nach wenigen Runden die Piste verläßt, wird ohne Rücksicht auf Verluste gesprintet, wobei man Beine, Arme, Kopf und Schulter im Kampf gegen die Konkurrenten einsetzt.“ Es geht schließlich um viel Geld, denn bei Keirin-Rennen wird nur kräftig auf den Einlauf gesetzt, auch die Akteure können reiche Leute werden. Der „Star“ dieser Truppe, der zehnmalige Sprinter-Weltmeister Koicho Nakano, soll zehnfacher Millionär geworden sein.

Hindelang: „Eine Einladung des Keirin-Verbandes ist finanziell sehr interessant, denn die Gagen sind außergewöhnlich hoch. Ich habe in den sieben Jahren jeweils in drei Monaten 20 Rennen bestritten und dabei soviel verdient, wie in einer Sechstage-Saison ein erstklassiger Fahrer bekommt. Und man bedenke: Die reine Arbeitszeit, also die Dauer eines Rennens über 2.400 Meter, liegt ja nur bei drei Minuten.“

Aber alle Europäer konnten den Einheimischen nicht das „Wasser reichen“: Sie kassieren bei den sechs großen Rennen der Saison ab, die von der stärksten Keirin-Klasse S mit etwa 4.000 lizenzierten Fahrern bestritten wird. Und da liegen die Gewinnpreise zwischen umgerechnet 150.000 bis 200.000 Mark.

„Dieses Keirin hat mit Sport einfach nichts zu tun, es ist ein reines Geschäft“, urteilt Hindelang. „Auf die Fahrer wird wie bei uns bei Pferderennen gewettet. An drei Renntagen einer Veranstaltung gibt es einen Umsatz von etwa 25 Millionen. Schließlich werden von den Wettern Summen zwischen umgerechnet 500 bis 1.000 Mark gesetzt.“

Seit 1980 ist Keirin eine „Disziplin“ bei den Weltmeisterschaften. Bisher gewannen, zumindest bei den Amateuren, mit einer Ausnahme nur Europäer. Und das ist auch kein Wunder, denn, so Nakano: „Das ist nur ein Verschnitt unseres Keirin, wir haben ganz andere Bahnen und es wird auch anders, nämlich aggressiver, gefahren.“ Im „Green Dome“ überbaute man die darunterliegende Keirin-Piste, die für die anderen Radrennen der WM ungeeignet war. Nach den Keirin -Rennen schüttelte Kartenkontrolleur Nakoija Makura enttäuscht den Kopf: „Das war doch kein Keirin.“

Günther W.Einfeldt