Teure Beerdigung

■ Zum Ende eines Staates

GASTKOMMENTARE

Zu bedauern ist er nicht, der Tod der DDR. Zu viele irreparable Schäden hat sie verursacht, zu viele Möglichkeiten zerstört, zu viele Charaktere verbogen, zu viele Schicksale auf dem Gewissen. Mögen auch manche ihre Hoffnungen in sie gesetzt haben - sie war doch nur das nicht lebensfähige Kind zweier Diktaturen.

Zu bedauern ist allerdings die Art und Weise, wie die DDR zu Tode gebracht wurde. Das Urteil stand schon seit langem fest. Beschlossen und verkündet wurde es am 9.November 1989 vom Politbüro der SED, vollzogen seitdem von Bonner Herrenreitern und ihren Ostberliner Marionetten. Deren jammervolle Veranstaltungen in Volkskammer und Regierung sind vor diesem Hintergrund kaum mehr als eine belanglose Illustration: man spielte Bundestag, und heraus kam eine bizarre Karikatur. Neben den Stammtischpolitikern der DSU, den spiralförmig gewendeten Blockflöten und den vor lauter Taktik über die eigenen Füße stolpernden Genossen von der SPD nahmen sich die nun wahrlich anfechtbaren selbsternannten Linken der PDS schon wieder integer aus, und das Häuflein vom Bündnis 90/Grüne konnte bei diesem Trauerspiel auch nichts mehr herausreißen. Was so gut wie nötig vonstatten gehen sollte, lief so makaber wie möglich ab.

Das eher parteipolitische als wirtschaftspolitische Kalkül der Bonner Parteien ging deshalb auf, weil es populär war. Aber Popularität bedeutet nicht automatisch Recht zu haben, und mit Demokratie hat sie auch nicht unbedingt etwas zu tun. Natürlich war es einfach, die Erwartungen der Menschen in der DDR erst auf die Volkskammerwahl, dann auf die Währungsunion und schließlich auf den Beitritt zu fixieren. Die Wünsche der DDR-Bürger und die Versprechungen ihrer vermeintlichen politischen Interessenvertreter in der Bundesrepublik verstärkten sich gegenseitig und schufen Tatsachen, denen gegenüber der Opposition nur noch der hilflose Versuch der Schadensbegrenzung blieb. Die Bürgerbewegungen haben unverkennbare Ähnlichkeit mit Goethes Zauberlehrling.

Nicht nur der nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten desolate Zustand der Wirtschaft und nicht nur die Unergründlichkeit des Ausmaßes der Krise charakterisieren die DDR. Zu ihren nach vierzig Jahren Stalinismus nicht verwunderlichen Merkmalen gehört auch der elementare Mangel an politischem und ökonomischem Sachverstand, Politiker und Ökonomen eingeschlossen. Jenen aber, die diesen Sachverstand haben müßten, ist vorzuwerfen, daß sie sich über die absehbaren Folgen ihrer Politik hinweggesetzt haben, auch gegen den Rat von Experten aus Wirtschaft, Instituten und Bundesbank. Die Bundesregierung handelt nicht nur gegen die Interessen der DDR-Bewohner, sondern auch gegen die ihrer eigenen Wähler, und sie weiß es. Hinter dem Pokerspiel um Beitritts- und Wahltermine steckte die Frage, wann das verärgerte Publikum herausbekommen wird, daß die Rechnung auf beiden Seiten der ehemaligen Zonengrenze bezahlt werden muß. Und diese Rechnung wird noch weit größer werden, als sie es in der DDR jetzt schon ist.

Reinhard Weißhuhn

Der Autor ist Mitarbeiter in der Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne, Vorstandsmitglied der Initiative Frieden und Menschenrechte