Krieg der Netzwerke

■ Von der Armut der Analyse und dem Leichtmut der US-amerikanischen Öffentlichkeit

Aus Washington Rolf Paasch

Noch sind keine Schüsse gefallen, doch in den USA ist der Krieg der TV-Networks schon seit drei Wochen heftig im Gange. Er begann wie immer mit dem Rennen der sogenannten „anchormen“, jenen Nachrichtenmoderatoren, deren Bezahlung und Bekanntheitsgrad in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu ihrer journalistischen Integrität zu stehen scheint. Dan Rather von CBS kam als erster in Amman an, von wo er seitdem vor dem Hintergrund protestierender Saddam-Fans seine abendlichen 0815-Analysen in die amerikanischen Wohnzimmer schickt. „Die einzige action, die Dan bisher in Amman gesehen hat“, höhnte ein Fernsehkritiker, sei der Kampf zwischen dem Zimmerservice und dem Management im „Intercontinental“ gewesen. Dann legte Konkurrent Ted Koppel von ABC noch eins drauf. Während NBC hilflos unter langweilig-moderaten Ägyptern in Kairo schmachtete, schaffte es Koppel bis in die Höhle des hitlergleichen Löwen nach Bagdad, mußte allerdings zu seiner televisionären Schande seine Platitüden zunächst über Telephon übermitteln. Am Ende gelang ihm - vermutlich durch die Vermittlung von König Hussein - ein Interview mit dem verbal vorprogrammierten irakischen Außenminister Tariq Aziz. All dies dient weniger der Information als dem Hochschrauben des sogenannten „Ratings War“, des Kampfes um die höchsten Einschaltziffern, die wiederum die Werbeeinnahmen der Fernsehstationen bestimmen.

Die weniger berühmten Nachwuchsreporter dürfen sich unterdessen auf den Kriegsschiffen der US-Marine im Sprachrohr-Sein üben. Da wird in schwindelerregender Kamera -Einstellung aus dem Helikopter über dem Roten Meer über die Nachschubprobleme der Militärs genau das gefaselt, was der Pressesprecher des Pentagon dem Journalisten mit auf seinen Ausflug gegeben hatte. Da sich in den Stellungen im saudi -arabischen Wüstensand außer den Sandschaufeln kaum etwas regt, sind die Networks hier zu morgendlichen Grußbotschaften der GIs „an die Lieben daheim“ übergegangen. Nach dem Motto: „Die Saudis sind zwar auch Araber, aber trotzdem nett zu uns, I love you darling.“

Ergänzt wird diese Frontberichterstattung durch Interviews mit den Nahostexperten aus den „Think Tanks“ Washingtons. Die Analysen dieser stellvertretenden Denker der Nation sind sich meist so ähnlich wie die Flugzeuge einer US -Bomberstaffel. „Was dieses Land als erstes bräuchte“, so der an der New Yorker Columbia-Universität lehrende palästinensische Autor Edward Said, „wäre eine wirkliche Diskussion über die tieferen Hintergründe des Konflikts.“

Das Resultat dieser televisionären Konfliktpropaganda ist jetzt in den jüngsten Meinungsumfragen zu begutachten. 84Prozent aller AmerikanerInnen verfolgen derzeit den Golfkonflikt, weitaus mehr als beispielsweise beim Fall der Berliner Mauer. Die Unterstützung der Politik Bushs ist gestiegen. 89Prozent glauben, daß die USA eine militärische Auseinandersetzung rasch gewinnen würden, nur zwei Prozent glauben an einen irakischen Sieg. Und rund zwei Drittel sind denn auch nach den Berieselungen mit US-Kriegsvorbereitung und irakischer Kriegsrhetorik überzeugt, es gäbe eine militärische Eskalation des Konfliktes. Die vielleicht aussagekräftigsten Zahlen: Rund zwei Drittel aller AmerikanerInnen glauben, daß der Konflikt im Golf militärisch so schnell vorüber sein wird wie der Einmarsch in Grenada und Panama...