Erst Revolte, dann Revanche

■ Wie die Polizei die Straubinger Gefangenenrevolte niederschlug

Aus München Kerstin Hartig

Während das bayerische Justizministerium nach den jüngsten Gefangenenprotesten und der Verlegung von üer hundert Häftlingen wieder von einem „fast normalen Alltag“ in der JVA Straubing spricht, häufen sich die Hinweise, daß es beim jüngsten Polizeieinsatz in der umstrittenen Justizvollzugsanstalt besonders brutal zugegangen ist.

Wie bereits berichtet, hatten sich rund hundert Gefangene am 3. August geweigert, in ihre Zellen zurückzugehen, und stattdessen die Nacht auf den Dächern der ehemaligen Polsterei und des Schulgebäudes der JVA verbracht. In einer Blitzaktion von gerade 16 Minuten waren sie dann von der Polizei am nächsten Morgen um 5.30 Uhr heruntergeholt und umgehend in die Münchner JVA Stadelheim verlegt worden. Dabei soll ein wegen Polizistenmordes zu lebenslanger Haft Verurteilter versucht haben, einen Polizisten vom Dach zu stoßen. Inzwischen liegen den bayerischen Grünen jedoch genauere Informationen über diesen Nacht- und Nebeleinsatz vor, in denen übereinstimmend von der Brutalität der beteiligten Polizisten und Vollzugsbediensteten die Rede ist.

In Briefen an die Landtagabgeordnete der Grünen, Marianne Rothe, betonten mehrere an der Aktion beteiligten Gefangene unabhängig voneinander die friedliche Absicht ihres Streiks und das rücksichtslose Vorgehen der Einsatzkräfte. Unabhängig voneinander schilderten die mittlerweile nach Stadelheim verlegten Häftlinge, daß auf dem Dach allgemein die Parole „Keine Gewalt und keine Provokationen, egal was passiert“ ausgegeben und ein Transparent mit der Aufschrift „Keine Gewalt“ aufgehängt worden sei. Ein Gesprächspartner mit „Entscheidungsgewalt“ sei ihnen verweigert worden. Gegen 5.30 Uhr hätten dann drei Hubschrauber als Ablenkungsmanöver das JVA-Dach angeflogen, das zur gleichen Zeit von der Bereitschaftspolizei gestürmt wurde, während die Gefangenen aus Dachluken heraus mit Gummigeschossen beschossen wurden. Die Polizisten seien, so die übereinstimmenden Berichte der Beteiligten, mit „Schußwaffen, Messern, Knüppeln und anderem Gerät“ bewaffnet gewesen. Ein Gefangener schildert die widersprüchlichen Befehle der Einsatzkräfte: „Der Gefangene bekam Prügel, wenn er aufstehen wollte, weil dies gefordert wurde, und Prügel, wenn er sich nicht gleich wieder hinlegte.“ Der Fußboden des JVA-Musiksaales, in dem die Meuterer auf Waffen untersucht wurden, sei mit dem Blut der Verletzten beschmiert gewesen, die zum Teil an den Haaren in den Raum gezogen wurden. Schließlich seien sie dann mit derart nach hinten gedrehten Armen abgeführt worden, daß sie „mit dem Kopf etwa zehn Zentimeter über dem Boden nur noch in der Hocke trippeln“ konnten. Sämtliche Beteiligten der Revolte wurden noch in derselben Nacht verlegt. Zwei von ihnen befinden sich derzeit noch im Hungerstreik, um ihre Rückverlegung nach Straubing zu erreichen. Dort erklärte sich der umstrittenen Anstaltsleiter Hans-Joachim Otto inzwischen bereit, mit den Häftlingen über einen Teil ihrer Forderungen zu reden. So soll als erstes das Sportangebot in Straubing verbessert werden. Ein Aufschluß der Zellen bis Mitternacht wurde jedoch abgelehnt.