Nur ein Aufständchen bei den FDP-Frauen

■ Antrag der SPD-Fraktion im Bundestag gegen das „Wohnortprinzip“ wurde in den machtlosen Ausschuß „Deutsche Einheit“ verschoben / SPD fährt weiter harte Linie / FPD will Allparteiengespräch

Aus Bonn Tina Stadlmeyer

Der groß angekündigte Aufstand der liberalen Frauen gegen das sogenannte Wohnortprinzip beim Abtreibungsrecht wurde nur ein Aufständchen. Immerhin stimmten einige bei der turbulenten Bundestagssitzung am Donnerstag mit der SPD. Es reichte jedoch bei weitem nicht: Der SPD -Entschließungsantrag „solange unterschiedliche strafrechtliche Bestimmungen für den Schwangerschaftabbruch im geeinten Deutschland gelten, wird das Recht des Ortes, an dem der Eingriff vorgenommen wird, angewendet“ wurde mit einer Mehrheit von FDP, CDU und CSU an den Ausschuß Deutsche Einheit überwiesen. Dieser kann garnichts beschließen, er darf dem Parlament lediglich Beschlüsse empfehlen.

Die liberalen Mitglieder des Ausschusses können bei der Sondersitzung am kommenden Dienstag also nochmal mutig sein und für eine Änderung des Einigungsvertrages stimmen Konsequenzen muß das keine haben. Der FDP -Bundestagsabgeordnete Burghard Hirsch hoffte gestern immer noch auf einen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und Liberalen. Das FDP-Präsidium regte gestern für alle Fälle ein „Allparteiengespräch“ an.

Es hängt jetzt alles davon ab, ob das Parlament einem Einigungsvertrag mit der DDR zustimmt, in dem - wie von der Koalition beschlossen - das sogenannte Wohnortprinzip festgeschrieben ist. Die SPD hat die Möglichkeit, den Vertrag platzen zu lassen - für seine Verabschiedung ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Auch der Bundesrat, in dem zur Zeit die SPD-regierten Länder eine Mehrheit haben, muß zustimmen. Der Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei Wolfgang Clement verkündete gestern in Bonn: „Ohne, daß sich die Bundesregierung bewegt, wird es keine Lösung geben.“ Die rot -grün regierten Länder Niedersachsen und Berlin kündigten unterdessen an, dem Einigungsvertrag im Bundestrat nicht zuzustimmen, wenn das „Wohnortprinzp“ beibehalten werde. In den kommenden Wochen wollen Bundeskanzler Kohl und die Ministerpräsidenten der Länder noch einmal über die strittigen Fragen im Einigungsvertrag reden.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Jutta Oesterle-Schwerin erklärte gestern in Bonn, ihre Fraktion werde keinen Antrag zur Fristenlösung ins Parlament einbringen. Ihre Parteifreundin Bärbel Rust hatte dies vorgeschlagen, um SPD und FDP auf die Liberalisierung des Abtreibungsrechts „festzunageln.“ Ihre Fraktion werde natürlich einem Antrag zur Fristenlösung zustimmen, erläuterte Jutta Oesterle -Schwerin „weil das immer noch besser ist als der 218“. Aufgabe der Grünen sei es jedoch nicht, diesen Antrag einzubringen, sondern nach wie vor die ersatzlose Streichung des 218 zu fordern.