Ehre sei Gott in der Wüste

■ 200 Jahre Nordsode: Das Dorf im Teufelsmoor feiert

Zwischen Schießbude, Würstchenstand und Lakritze-Wagen hindurch tönt so lautstark wie falsch das Mädchen von Piräus„ über den Festplatz hinterm Dorfgemeinschaftshaus. Die Bläser der Original Weserländer Musikanten treffen den Ton nicht so recht. Da bleiben die Männer lieber am Biertresen stehen, die Frauen in ihrem kleinen Schwarzen unter den Girlanden im Festzelt sitzen. Doch die Weserländer wissen, wie sie die behäbige Dorfgemeinschaft außer beim Festumzug in Bewegung bringen

können. Wir sind vom Moor, vom Teufelsmoor - wie auf Knopfdruck zieht das Nationallied der Moorbauern und ihrer Nachfahren die lüüt zum Tanz.

Jahrelang haben sie sich gefreut auf dieses Fest, das die alle Jahre wiederkehrenden Ernte- und Schützenfeste der Umgebung in den Schatten stellen soll: 200 Jahre Nordsode. Lehrer Blanquett, über Generationen hinweg (1929-63) Alleinherrscher mit Rohrstock in der 1979 geschlossenen Klippschule für Nordsode und die erste Häuserreihe des benachbarten Karlshöfenermoor, arbeitete bis zu seinem Tod vor knapp zwei Jahren an der Dorfchronik. Der Festausschuß verkauft die Heftchen stolz a Zelteingang. JedeR findet sich darin wieder: In den Klassenfotos von einst oder denen von Schützen- und Sportverein, die die Nachbarn von Ostersode und Karlshöfenermoor mittragen. Sämtliche Häuser dieses Dorfes ohne Mittelpunkt sind in der Festschrift abgelichtet: auch die Neuen, die inzwischen mit Straßennamen verknüpft sind, während die Alt-Nordsoder Häuser nur Nummern tragen. 124 Einwohner verzeichnet die Statistik Worpswedes derzeit für ihren abgelegenen Ortsteil im Moor.

Als der Moorkolonisator Jürgen Christian Findorff 1790 die 13 Anbaustellen zwischen Oster

sode, Hanstedt und Karlshöfen verteilte, war dies die letzte von 40 Moorsiedlungen, die er schuf. Hat der Anbauer bey mittelmäßigem Alter und einer gesunden Leibesbeschaffenheyt Lust zu arbeiten, dabey eine arbeitsame Frau und einige erwachsene Kinder, die ihm in seinen Geschäften zu Hülfe kommen, so kann es ihm nie an sein gutes Fortkommen fehlen, hatte Findorff in seinem Moorkatechismus gefordert und gewarnt: Man hüte sich, Säufer und Prozeßgänger aufzunehmen, sie taugen gar nicht im Moore. Die ersten Siedler, zum Hausbau binnen eines Jahres verpflichtet, mußten ihre Hütten auf dem schwankenden Boden errichten, Baumaterial auf dem Rücken von der Geest heranschleppen, mit Torf die Feuerstellen heizen. Die Kolonisten lebten von Ackerbau und Torfstich. Mit Moorkähnen brachten sie den Torf über die Hamme nach Vegesack und Bremen - für einen Thaler pro Schiff. Den Ersten sien Dot, den Tweeten sien Not, den Drütten sien Brot überliefern die Moorbewohner deren Motto.

Ihrem Überlebenskampf zwang der Moorkommissar auch Bildung und Gottesfurcht auf: Er verordnete den Nordsodern eine Reiheschule - alle zwei Jahre mußte eine andere der 13 ansässigen Familien den Schulraum zur Verfügung stellen. Und Findorff

ließ den Moorleuten in Gnarrenburg eine Kirche bauen. Ehre sei Gott in der Wüste prangt über der Eingangstür.

ra