Neulich ... zurück in Bremen

■ Als ich auf die große Welt in der kleinen traf

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...zurück in Bremen

Als ich auf die große Welt in der kleinen traf

Schnell durch die Bahnhofshalle, nicht sehen, wer hier zu neuen Ufern aufbricht. Du warst da grad und kommst zurück zu den alten. Willst sofort ins Taxi steigen und nachhaus.

Der Taxifahrer hat die Taschen im Gepäckraum verstaut, Du öffnest die Tür. Du stockst. In Hamburg, das weißt Du einigermaßen sicher, steigt man hinten ein, kann in Ruhe grande dame sein, kein Plauderzwang, man kann reden, kann aber auch entspannt vor sich hin glasen. Auch in Berlin steigt man hinten ein, oder war es vorn?, nein, meistens hinten, und der Vordersitz ist auf Beinfreiheit gestellt, Plauderzwang besteht. Aber mehr für die Taxifahrer, die auf die Grünen schimpfen oder die Stadt preisen, die eine Reise wert ist.

Nun also zurück aus der großen, patriarchalischen Welt, Du erinnerst Dich, in der Hansestadt steigt man vorne ein, man sitzt von gleich zu gleich. Aber heute schreckt die ausgestreckte Hand von der Tür zurück, der Vordersitz ist vorgeschoben, der alte Herr von diesem Taxi hält den Fond für angemessen.

Also hinten. Auch recht, heute ausnahmsweise will ich nicht fragen, was los war. Was die Partner am Steuer in aller Regel nach Backenaufblasen, Luftauspusten, gründlich Nachdenken damit beantworten, daß nichts los war. Hier nicht.

Das Bremen der Taxifahrer ist keine Reise wert. Und das Wetter nicht die Rede. Ist denen zu blöd, über's Wetter reden. „Schön warm ist es heut noch geworden,“ beginnt da der alte Herr die Konversation. Und in mein Staunen hinein sagt er, daß an diesem Morgen der Herbst schon zu riechen war. Wir sind da, einen schönen Abend, ja, Ihnen auch.

Wir (wieso wir, eben waren's noch ich und Du) stellen die Taschen ab und tun einen letzten Spähsprung in die große, weite Welt, aus der wir zurückkommen, mit der Fernbedienung ins Dritte Programm. Und begegen, o Wunder, - Bremen.

Diesen Moderator in der angeblichen Talkshow Berlin Mitte mit dem angeblichen Thema : DDR-Vergangenheit, Rache oder Vergebung, den kennen wir, der kommt von hier. Oder kommt er aus dem heiteren Anekdotenraten, wo Alice Schwarzer alle Fragen so anlegen muß, daß Jockl Fuchsberger „Ja“ zu antworten hat?

Woher sonst kommt eine Frageorgie wie die:

Ist es richtig, daß DER STASI alle Lebenbereiche überwacht hat?-JA. - Ist es richtig, daß ER dazu Dossiers über das Privatleben angelegt, flächendeckend Telefone überwacht und ein allmächtiges Spitzelwesen installiert hat. JA.

Ist es richtig, daß DER STASI das System mit Waffengeschäften und Förderung des internationalen Terrorismus stabilisert hat? JA.

Trifft es zu, daß DER STASI dabei auch Menschenleben geopfert wurden? - JA.

Ist es richtig, daß zu 100.000 Mitarbeitern DES STASI noch einmal mehr als 100.000 informelle Mitarbeiter kamen? - JA.

Die Beantwortung der Frage macht Ihnen sichtlich Mühe, deshalb jetzt direkt weiter mit Herrn Schättle.

Die Zitate sind nicht wörtlich, sondern sinngemäß korrekt. Der „Befragte“ war kein überführter STASI-Mitarbeiter, wie man nach diesen der allgemeinen Zeitungswahrheit entsprechenden Vorhaltungen annehmen mußte, sondern Dankward Brincksmeier, SPD-Volkskammerabgeordneter, Vorsitzender des Innen- und des Auschusses zur Überprüfung der Volkskammerabgeordneten und einer der kompetentesten STASI -Bekämpfer überhaupt.

Die Veranstaltung war kein Volksgerichtshofs- und kein Schauprozeß, wo der Angeklagte der Anklage nur zu zuzustimmen hat; der Prozeßführende, der nach einjähriger Berichterstattung auf allen Kanälen noch nicht weiß, daß die konsequente Uninformiertheit zwar oft männlich, die Staatssicherheit aber weiblich ist und folglich DIE STASI heißt, ist Rüdiger Hoffmann und Programmdirektor Fernsehen in diesem Stadtstaat.

Ich bin zurück, aber Bremen auch.

Uta Stolle