Im Osten ist ein Zimmer frei

■ DDR-Wohnraumlenkungsverordnung wird aufgehoben / West-Mietergemeinschaft protestierte auf dem Alexanderplatz / Beschluß bedeutet freie Fahrt für Miethaie aus dem Westen

Mitte. Protest der Berliner Mietergemeinschaft gegen „freie Bahn für Miethaie“ in der DDR und Ost-Berlin: Mit Flugblättern und Informationsmaterial wandte sich die zweitgrößte (West-)Berliner Mieterorganisation auf dem Alexanderplatz an die Ostberliner Bevölkerung. Der Grund: Die sogenannte Wohnraumlenkungsverordnung wird per Volkskammerbeschluß zum 1. September aufgehoben (die taz berichtete). Das heißt, DDR-Bürger müssen sich jetzt ihre Wohnung selber suchen.

Das sei der erste Schritt zur Demontage des international vorbildlichen DDR-Mietrechts, meint die Mietergemeinschaft. Als nächstes würden vermutlich der volle Kündigungsschutz, die Mietpreisbindung und der staatliche Wohnungsbau abgeschafft. Zwar erhält jeder DDRler einen Wohnberechtigungsschein (WBS), aber was der nützt, weiß ja jeder Westler. Zudem, so die Mietergemeinschaft, liegen weder Verordnungen über die Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen noch über das Verbot der Zweckentfremdnung von Wohnungen noch zur Regelung der Maklertätigkeit vor. Alles werde hinter verschlossenen Türen ausgetüftelt. Privater Wohnbesitz darf ab dem 1. September zudem völlig ohne WBS, also ohne Belegungsbindung, vermietet werden. Demnach, warnt die Mietergemeinschaft, haben die bei der Wohnraumvermittlung die Nase vorn, die die meisten D -Mark vorweisen könnten. Zahlungskräftige Westberliner würden schon bald massiv auf den Ostberliner Wohnungsmarkt drängen.

Auch der Präsident des DDR-Mieterbundes Göhrung, hatte sich diese Woche dagegen gewandt, Privatwohnungen dem freien Markt zu überlassen. Das betreffe 40 Prozent des Ostberliner Wohnungsbestandes. Selbst der Besitz eines Wohnberechtigungsscheines mit Dringlichkeit, so Göhring, garantiere kinderreichen und sozial schwachen Familien nicht eine Wohnung.

Ost-Berlins Bürgermeister Schwierzina hingegen sprach von „Panikmache“. Nur zehn Prozent der Ostberliner Wohnungen seien privat, 560.000 davon, 90 Prozent des Bestandes, seien Sozialwohnungen in kommunalem oder genossenschaftlichem Besitz. Diese seien für Bewerber mit Dringlichkeit reserviert, die mindestens ein Jahr in Ost-Berlin polizeilich gemeldet sind. Die Mietpreisbindung und der Kündigungsschutz bleibe auch bei privaten Wohnungsbesitz erhalten, betonte Schwierzina. Nach wie vor würden Wohnungssuchende nach sozialer Dringlichkeit versorgt. „Dringlichkeit“ wird vor allem Familien mit Kindern in unzumutbaren Wohnverhältnissen zuerkannt.

taz/adn