Wiggerls Heimkehr

■ Ludwig Kögl, einer der letzten Ballschmuser, vermißt in Schwaben Rohrnudeln mit Vanillesoße

PRESS-SCHLAG

Fußball ist Busineß, ja doch. Aber genau genommen war es kein Geschäft, den Ludwig Kögl (24) zum VfB Stuttgart zu transferieren, sondern eine „menschliche Tragödie“. Das sagt Bayern-Manager Uli Hoeneß. Der hatte das Münchner Team für 13 Millionen D-Mark vor der Saison aufgemotzt. Im Gerangel um einen Arbeitsplatz sah sich der schmächtige Ludwig vor lauter Laudrups, Effenbergs oder Sternkopfs gehörig im Nachteil. Folgte der Offerte, die ihm Hoeneß-Bruder Dieter machte, welcher mittlerweile in Stuttgart für den An- und Verkauf von Kickern zuständig ist.

Daß dieser lange Jahre an der Seite ihres Wiggerls für die Bayern stürmte und unzählige Male dessen Sichelflanken auf den kantigen Schädel plaziert bekam, hat daheim im beschaulichen Penzberg Mutter Kögl nicht richtig beruhigen können. Abgeschoben worden sei ihr Bursch, schmählich behandelt und vereinsamt hocke er da in seinem Stuttgarter Hotelzimmer und entbehre Frau und Kind, überdies sein Leibgericht: Rohrnudeln mit Vanillesauce.

Richtig ist wohl, daß Uli Hoeneß den Fußballer Kögl niemals hätte ziehen lassen, würde der in seinen Plänen von einem europäischen FC Bayern eine wesentliche Rolle spielen. Was den Wiggerl dann in der Tat verdrießlich gestimmt hat. Schließlich habe er als einer der wenigen aus der jetzigen Mannschaft von Jupp Heynckes bereits ein Europapokalfinale bestritten (1987, 1:2 gegen FC Porto), dort nebenbei ein Tor erzielt - und das auch noch mit dem Kopf.

Natürlich war der schmächtige, 170 Zentimeter groß gewachsene Ludwig nie das, was man einen Goalgetter nennt. Herrje. 148mal wurde er in der Bundesliga, 37mal in europäischen Wettbewerben eingesetzt und erzielte dabei acht, respektive fünf Treffer. Gleichermaßen in ihr Herz geschlossen haben die treuen Krakeeler aus der Südkurve wie die Haute Volee auf den Champagner-Plätzen des Münchner Olympiastadions den Wiggerl, weil er ihnen stets das Gefühl vermittelte, daß Fußball eben doch noch ein Spiel ist, ein ganz besonders schönes zudem.

Keiner seiner Kollegen hat die Lederkugel je so mit Spann, Rist oder Sohle umschmust wie dieser kleine Derwisch. Wenn er sich wieder einmal auf der linken Angriffsflanke an fleischigen Waden und muskelbepackten Leibern vorbeikreiselte und im Sprint die Eckfahne anpeilte, mag das zuweilen kaum mehr erbracht haben, als dies ein nüchterner Querpaß vermocht hätte.

Den Menschen aber wurde allerbeste Unterhaltung geboten, und sie vergaßen nur allzu gerne zuvor gebotenes Rasenschach. Aber auch weil er einer der letzten Urbayern im Team des bundesdeutschen Meisters war, genoß Ludwig Kögl die Sympathie des Volkes. Am Samstag nachmittag hielt der Königswiggerl im Stuttgarter Jersey Hof an alter Arbeitsstätte. „Kögl gespielt wie bei Bayern“, analysierte der Veteran Tschik Caikovski. Und genauso wurde er gefeiert.

Uli Hoeneß hat vielleicht unterschätzt, wie stur der Bayer seinem Brauchtum verhaftet ist. Verteidiger Pflügler etwa, mit dem Wiggerl auf der linken Seite sechs Jahre wie Plisch und Plum vereint, trabt ohne den Weggefährten depressiv verstimmt über den Rasen. „Stuttgart“, sagte Kögl hernach, „ist ja auch nicht aus der Welt.“ Wer weiß, jetzt wo ihn der VfB-Kollege Fritz Walter schon „Wirrgerl“ nennt.

Christopher Keil